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Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst

Titel: Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Mishani
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Ofer an«, war Avni zu hören.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
    Avni fragte: »Hören Sie mich?«
    Einen Augenblick später erklang die Stimme von Rafael Sharabi auf der Aufnahme. Offenbar war er in Hannahs Nähe gewesen, als das Telefon klingelte, und sie musste ihm mit einer Handbewegung oder ihrem Mienenspiel bedeutet haben, an den Apparat zu kommen. »Wer ist da? Was wollen Sie?«, fragte der Vater.
    »Ich habe Ofers Briefe in Ihren Briefkasten gesteckt. Ich weiß, wo sich Ofer aufhält.«
    Erneut Schweigen. Auch Rafael Sharabi hätte einfach auflegen können, behielt den Hörer aber offenbar am Ohr.
    Er hatte es getan. Bis zuletzt war sich Avraham Avraham nicht sicher gewesen, ob Avni das Telefonat wirklich führen würde. Er hatte so ein Bauchgefühl gehabt, vielleicht war es auch die vage Hoffnung, der Lehrer würde den Vorschlag im letzten Moment doch noch ablehnen.
    Avni sagte zu Rafael Sharabi: »Hören Sie mich? Ich weiß, wo sich Ofer aufhält, und ich kann es Ihnen sagen.« Er verstellte seine Stimme nicht, aber er war schlecht zu verstehen. Hatte er die Sprechmuschel etwa mit einem Tuch bedeckt?
    »Wer sind Sie? Warum rufen Sie uns an?«, hörte Avraham den Vater fragen.
    Avni wiederholte: »Ich weiß, wo sich Ofer aufhält und was genau er getan hat, seit er verschwunden ist. Ich rufe Sie heute Abend an, um es Ihnen zu sagen.«
    Damit war das Gespräch beendet.
    Schärfstein schaltete das Tonbandgerät ab. Er sah Ilana und Avraham an, die in seinem Zimmer saßen, und auf sein Gesicht trat ein triumphierendes Lächeln. Avraham hielt einen Plastikbecher mit schwarzem Kaffee in der Hand. Er hatte mittlerweile sieben oder acht Becher geleert, seit er vor vierundzwanzig Stunden aufs Revier gekommen war. Ilana trank ihren Kaffee aus. Alle hatten sie eine Nacht ohne Schlaf hinter sich.
    »Das war’s, das Telefonat fand vor einer Stunde statt«, sagte Schärfstein. »Er hat es wirklich getan, dieser Irre. Jetzt müssen wir abwarten.«
    Und sie warteten.

    Alles hatte am Tag zuvor begonnen, mit dem Augenblick, in dem dieser Irre, wie Schärfstein ihn bezeichnete, an die Tür von Avrahams Büro geklopft hatte. Seev Avni trug eine schwarze Hose und ein hellblaues Anzughemd, als hätte er sich für eine feierliche Dienstbesprechung in Schale geworfen. Erst im Nachhinein kam Avraham Avraham der Gedanke, dass Avnis Aufmachung an eine Polizeiuniform erinnerte. Er war davon ausgegangen, dass der Lehrer über irgendetwas anderes mit ihm sprechen wollte, so wie er es bei seinem Anruf in Brüssel angekündigt hatte. Avraham hatte geantwortet, er sei ausschließlich mit den Ermittlungen im Fall Ofer befasst, doch der Lehrer hatte darauf bestanden, ihn zu treffen.
    Und dann hatte Avni ihm von dem anonymen Anruf bei der Polizei berichtet.
    Er gestand in einem aufgesetzten Ton, als würde er eine Meldung in den Abendnachrichten vorlesen. Avraham Avraham verließ den Raum, um Ilana zu informieren und sich zu vergewissern, wann genau der Anruf eingegangen und was genau gesagt worden war, obgleich er es noch wusste. Es war an seinem Geburtstag gewesen, und man hatte ihn angerufen, als er gerade bei seinen Eltern am Tisch saß. Seither hatte er sie nicht mehr besucht.
    Nachdem er ihr von Avnis Geständnis berichtet hatte, fragte Ilana: »Was meinst du, hat das zu bedeuten?«
    Und Avraham Avraham antwortete mit Bestimmtheit: »Dass ich recht hatte. Mein Bauchgefühl war richtig. Seev Avni hängt viel mehr in der Geschichte drin, als er uns bisher verraten hat.«
    Avraham fürchtete sich vor dem, was der weitere Verlauf der Vernehmung noch ans Licht bringen mochte, doch gleichzeitig verspürte er einen Anflug von Euphorie. Er hatte recht gehabt. Damit hatte er die Ermittlung wieder an sich gezogen. Und sie von Ofers Eltern weggelenkt.
    »Was wirst du mit ihm machen?«, fragte Ilana.
    »Ich weiß noch nicht. Ich werde die Vernehmung fortsetzen, und dann, denke ich, sollte er in Untersuchungshaft kommen, zunächst einmal wegen vorsätzlicher Behinderung der Ermittlungen. Außerdem brauchen wir einen Durchsuchungsbefehl für seine Wohnung und seinen Computer. Vielleicht hat er auch in der Schule noch ein Büro. Ich werde das klären.« Als Avraham aufstand, fiel ihm ein, dass er den Lehrer in seinem Büro allein gelassen hatte, ohne ihm sein Mobiltelefon abzunehmen.
    »Halt mich auf dem Laufenden, wie du vorankommst und ob du noch etwas brauchst«, sagte Ilana.
    Als Avraham Avraham sein Zimmer wieder betrat, stand

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