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Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst

Titel: Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Mishani
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Tür des Verhörraums geklopft, aber es verging einige Zeit, bis Avraham wieder erschien. Seev fragte ihn, wie lange er noch warten müsse, und bat, mit Michal sprechen zu dürfen.
    »Ihre Frau hat bereits angerufen«, erklärte Avraham.
    Er schreckte zusammen. »Wer hat denn mit ihr gesprochen? Was haben Sie ihr gesagt?«
    »Man hat ihr gesagt, Sie würden noch vernommen und dass wir sie auf dem Laufenden halten werden.«
    »Wann kann ich gehen?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Können Sie mir wenigstens sagen, ob ich einen Anwalt brauche?«
    »Ich weiß noch nicht, wann wir die Vernehmung fortsetzen und in welcher Form. Fürs Erste bitten wir Sie, hierzubleiben. Sie sind doch einverstanden, oder?«
    »Was soll das heißen: Wir bitten Sie? Habe ich denn eine Wahl?«
    »Ja. Wenn Sie sagen, Sie möchten gehen, können wir Sie sofort festnehmen. An Gründen fehlt es uns nicht. Noch haben wir nicht entschieden, was wir mit Ihnen machen, und bitten Sie daher um Geduld.«
    Er stellte sich vor, er würde bei der Krankenkasse oder auf der Zulassungsstelle warten, bis er an der Reihe wäre, und fühlte sich irgendwann weniger bedroht. Dann musterte er das Verhörzimmer, um sich dessen Anblick genau einzuprägen.
    Avraham war so erregt und fassungslos über seine Briefe gewesen, als hätte er sie wirklich zum ersten Mal gesehen, und Seev fiel ein, was Michael in dem Workshop über den einen, einzigen Adressaten gesagt hatte, den jeder Text erreichen müsste. Vielleicht war sein Adressat in Wahrheit ja Avraham Avraham und nicht die Eltern? Als er meinte, es müsste inzwischen Abend sein, bat er Avraham, mit Michal sprechen zu dürfen.
    Er hörte sofort, dass sie weinte. Im Hintergrund waren die Stimmen von Ilay und ihrer Mutter zu vernehmen. Hatte Michal ihrer Mutter erzählt, wo er sich befand und warum?
    »Ich kann nicht reden, aber es kommt alles in Ordnung, Michali«, sagte er. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich nicht verhaftet bin, sie nehmen mich nicht fest, sie wollen nur die Vernehmung fortsetzen. Und bitte weine nicht.«
    »Aber kommst du denn heute noch nach Hause? Und wie haben sie reagiert?«, fragte sie.
    Er schaute zu Avraham hinüber, der mithörte, was sie sagte, und antwortete: »Ich weiß es nicht. Ich hoffe, ja.«
    »Möchtest du, dass ich einen Rechtsanwalt anrufe?«, flüsterte sie.
    »Ich kann dir überhaupt nichts sagen. Ich verstehe auch nicht ganz, was passiert. Ich hoffe, in ein paar Stunden bin ich zu Hause. Was hast du deiner Mutter gesagt?«
    Ihr Weinen tat ihm weh, dennoch gelang es ihm nicht, die Wut darüber, dass er nur ihretwegen hier war, ganz zu unterdrücken.
    Sie antwortete nicht auf seine Frage.
    Er sagte: »Gut, Michali, ich muss jetzt Schluss machen. Küsschen an Ilay.« Er hörte noch, wie sie ihn bat, nicht aufzulegen, erklärte, er müsse, und beendete das Gespräch.

13
    »Hallo?«
    Avraham Avraham erkannte die Stimme von Hanna Sharabi sofort, obwohl er sie schon lange nicht mehr gehört hatte. Sie klang keineswegs angespannt. Sie hatte zwar offenbar nicht mit einem Anruf gerechnet, war jedoch auch nicht überrascht, dass das Telefon so früh am Morgen klingelte.
    »Bin ich bei Familie Sharabi?«
    Seev Avni sprach zögernd, zugleich schwangen in seiner Stimme eine Gehetztheit und große Müdigkeit mit. Das Zögern verlangsamte sein Sprechen, blockierte es fast, während die Gehetztheit die Silben übereinanderschob und die Müdigkeit ihn nuscheln ließ. Möglich, dass er sich nicht sicher war, ob es ihm gelingen würde zu sagen, was er zu sagen hatte. Noch hätte Avni das Gespräch abbrechen können. Er hatte eine lange Nacht auf dem Revier hinter sich, hatte nicht geschlafen und so gut wie nichts gegessen. Am Morgen, als ihm im Verhörzimmer ein Becher Kaffee vorgesetzt worden war, hatte er einen Schluck von dem brühheißen Getränk genommen und es danach nicht mehr angerührt, als hätte er es vergessen.
    Hannah Sharabi antwortete: »Ja, wer ist denn da?«
    Das Gespräch zwischen Seev Avni und Hannah Sharabi war morgens um Viertel nach sieben geführt worden, doch Avraham Avraham hörte es erst nach acht Uhr auf dem Tonbandgerät in Schärfsteins Zimmer. Er erinnerte sich nicht, wo in der Wohnung von Rafael und Hannah Sharabi das Telefon stand; und er stellte sich Hannah vor, wie sie den Hörer in der Küche abnahm, während sie dabei war, den Esstisch von den Überresten des Frühstücks zu säubern, oder zum Telefon in einem der Zimmer der Kinder eilte.
    »Ich rufe wegen

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