Avi Avraham ermittelt 01 - Vermisst
einleitende Worte sagen wollte. »Also, zunächst zum Rucksack«, begann er. »Es gibt erste Resultate. Weder außen noch innen wurden Blutflecke oder fremde Materialien gefunden. Dafür gibt es jede Menge Fingerabdrücke, zum Teil verwertbar, zum Teil nicht. Es wird noch mindestens zwei, drei Tage dauern, bis die labortechnische Untersuchung des Inhalts abgeschlossen ist.«
Er verteilte an alle eine Kopie mit der Liste der Gegenstände, die sich in dem Rucksack befunden hatten. Ilanas Rede von der Überprüfung ihrer grundlegenden Vermutungen hatte Avraham derart schockiert, dass er Ofers Schultasche fast vergessen hätte. Er fragte Schärfstein, ob er Fotos von dem Rucksack und dem Container habe, und Schärfstein erwiderte: »Nicht hier.«
Avraham Avraham wäre am liebsten nach Jerusalem gefahren, um die Tasche in der Hand zu halten. Abermals bedauerte er, dass er nicht der Erste gewesen war, der das Fundstück bekommen und seinen Inhalt hatte in Augenschein nehmen können, Stück für Stück. Die meisten Gegenstände auf der Liste waren ihm bereits aus dem Telefonat mit Maalul bekannt: der Personalausweis, der Stift, die beiden Zwanzig-Schekel-Scheine.
Schärfsteins Liste enthielt vollständige Angaben zu allen Schulbüchern und Heften, die im Rucksack gewesen waren: ein Gesellschaftskundelehrbuch – »Bürger sein in Israel – einem jüdischen und demokratischen Staat« (Curriculum-Verlag); »Soziologie: Gesellschaftskreise« (Rechess-Verlag); »Antigone« von Sophokles, in der Übersetzung von Shlomo Dikman (Bialik-Institut); »Prüfungsfragenkatalog A, hebräische Sprache« (Verlag Orna Antebi). Außerdem zwei große Spiralhefte, eines kariert, eines liniert.
Alle Gegenstände sollten vom Labor in Jerusalem an das Ermittlerteam zurückgesandt werden, sobald die kriminaltechnischen Untersuchungen abgeschlossen waren. Avraham ging die Bücherliste zweimal durch, und irgendetwas daran zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
Schärfstein fuhr fort: »Im Augenblick sieht es nicht so aus, als würde uns der Rucksack irgendwohin führen. Und auch die Ergebnisse der Spurensicherung von dem Container, in dem der Rucksack gefunden wurde, scheinen uns nicht weiterzubringen. Da ist nichts, was mit Ofer in Verbindung gebracht werden könnte. Und wir suchen noch immer jemanden, der gesehen hat, wer den Rucksack dort entsorgt hat. Das Problem ist, und vielleicht sollten wir darüber nachdenken, was man in dieser Richtung unternimmt, dass wir eine Pressesperre erbeten und auch bekommen haben. Vielleicht war das ein Fehler, und wir sollten die Information doch an die Öffentlichkeit geben, in der Hoffnung, einen Zeugen zu finden. Außerdem, ich habe heute Morgen mit der Rechtsabteilung gesprochen und erfahren, dass keine Aussicht besteht, vom Gericht zum jetzigen Zeitpunkt eine Abhöraktion genehmigt zu bekommen, weil nicht genügend Beweise vorliegen. Wir müssen mit etwas Konkreterem kommen. Die Frage ist, auf welchem Wege wir versuchen, dieses konkretere Etwas zu kriegen, ohne bei ihnen allzu viel Aufmerksamkeit zu wecken.«
Avraham Avraham hob den Blick von dem Blatt in seiner Hand. Er sah erst Schärfstein an und danach Ilana. »Ich verstehe nicht ganz. Wer soll abgehört werden? Wessen Aufmerksamkeit soll nicht geweckt werden?«
Ilana war offensichtlich verlegen. Es gab noch etwas, das sie sich gescheut hatte, ihm zu erzählen. »Die Telefone der Eltern«, erklärte sie.
Und Schärfstein fügte hinzu: »Festnetzleitung und Mobiltelefone.«
»Der Eltern? Wozu?«
Schärfstein sah ihn mitleidsvoll an. Aber er sagte nichts, denn Ilana antwortete für ihn: »Ich habe dir vorhin erklärt, Avi, dass wir am Wochenende beschlossen haben, unsere Hypothese in Bezug auf den Mittwochmorgen zu überprüfen. Wie ich dir gesagt habe, wir wollen sicherstellen, dass sie richtig ist, oder die Möglichkeit ausschließen, dass sie falsch ist.«
»Das habe ich bereits verstanden. Aber was hat das damit zu tun? Glaubt ihr, sie haben gelogen? Und dass sie das dann jemandem am Telefon erzählen würden?«
Ilana versuchte, ihrer Stimme einen sanften Klang zu geben, weil sie das Unwetter sah, das in Avraham heraufzog. »Wir glauben gar nichts. Wir überprüfen nur alle unsere ursprünglichen Hypothesen noch einmal. Eine dieser Thesen lautet, dass die Eltern bei der Vernehmung alles erzählt haben und nicht mehr wissen als das, was sie in ihren Zeugenaussagen erklärt haben, also nichts vor uns verbergen. Wir müssen einfach die
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