AVOCADO ZUM FRÜHSTÜCK
1000 Kilogramm schweren Wagen ganz zu entladen und auf einem ganz leicht abschüssigen Stück (Wunschdenken!) wieder und wieder an zu schieben. Dabei brachte ich ungeahnte Kräfte zum Einsatz, doch wieder half es alles weniger als nichts. Wieder kam das Rad zum Einsatz und diesmal fand ich, starr vor Dreck und Schweiß und schwarz von der Asche des halbverbrannten Feldes, nach circa zweieinhalb Kilometern, eine kleine Familiengruppe der ärmsten Landbevölkerung, die man sich vorstellen kann. Man hackte auf kleinen Palmen herum, vermutlich um an deren Inneren zu kommen und hauste mit einigen Matten, Töpfen und viel Müll unter einem Baum. Die Kleidung war alt und abgetragen, Schuhe waren nirgends zu sehen und alles in Allem machten sie keinen kräftigen oder gesunden Eindruck.
Die Gruppe bestand aus drei Frauen und drei Männer verschiedensten Alters. Ein Teenagerjunge hatte sogar eine derart schlimme Entzündung am Bein, dass er sich kaum fortbewegen konnte. Doch sie vermuteten, dass ich Meticais zahlen würde und folgten mir zu fünft auf Schritt und Tritt durch die Savanne zum Auto, immer über die große Entfernung meckernd. Ich musste sie immer wieder weiter locken und mit Handzeichen Versprechen machen, doch was blieb mir übrig? Immerhin schien das kleine Abenteuer die Monotonie ihres Tages angenehm unterbrochen zu haben. Rasch bekamen sie mit vereinten Kräften dann auch den Wagen zum Laufen. Ich lud meine Habseligkeiten wieder ein, einer fuhr voller Begeisterung mit mein Rad voraus und die anderen im Auto zurück. Die Frau, die vorn sitzen durfte, wusste nicht einmal, wie man eine Autotür öffnete und prasselte unaufhörlich auf mich ein, wobei ich natürlich kaum ein Wort verstand.
Zurück an der, wie ich annahm, Behausung gab ich ihnen als Treat meine letzten Äpfel, die man hier sicher kaum kennt („Manzanas?...“) und die gut ankamen, gerade bei den Jüngeren. Doch sie wollten Meticais und ich hatte keins mehr. Letztendlich, nach vielen Gebaren nutzenden Verhandlungen, überließ ich ihnen meine letzten Vorräte. Etwas Reis, Zwiebeln, Kaffee, Zucker, Hafer, Suppenpulver, Corned Beef und Baked Beans. Dazu mein bislang ungenutztes, neues kleines Grillrost („ahhh, por Njama!“). Zufrieden ließ man mich durch dem staubdürren Gebüsch fortziehen.
Nun war mein Benzin bereits sehr knapp und ich hatte weder Wasser, Zigaretten, Essen noch viel Zeit bis zum Sonnuntergang. Ich fuhr aus dem Busch heraus und in den nächsten Ort wo es, wie das Schicksal so wollte, keinen Geldautomaten gab und als Tankstelle ohnehin nur einem Mann, der Diesel und Benzin aus Plastikkanistern verkaufte. Er konnte jedoch nur Bargeld akzeptieren und deutete nach langem Hin- und Her an, dass es in einem 90 Kilometer entfernten Küstenort eine Bank (also einen Geldautomaten) geben würde. Sehr nervös und ganz besonders ökonomisch führ ich dort hin und sah am Straßenrand viele weiteren Spritverkäufern. Welch eine gefährliche Arbeit !
Bedächtig fuhr ich – ich hätte nicht mehr die Kraft aufbringen können, noch einmal mit dem Rad los zu ziehen um Benzin zu holen. So geschah ein Glück im Unglück: das Auto blieb schlussendlich stehen aber nur fünfhundert Meter vor der Tankstelle, wo man sogar Kreditkarten akzeptierte! In dieser Hinsicht gerettet, nachdem ich eine stattliche Summe für den vollen Tank gezahlt hatte, holte ich am nahegelegenen Geldautomaten fast problemlos noch einiges an Meticais ab und begab mich ins ebenfalls nahegelegenen Resort um dort, endlich am Meer, mein Zelt aufzuschlagen. Die wenigen einfachen Geschäfte hatten natürlich schon zu, doch im gemütlich-ruhigen, zum Meer offenen Restaurant konnte ich gegen Bares Bier, Zigaretten und einen äußerst schmachvoll gegrillten Barrakuda mit Pommes bestellen. Selten hatte ein Fischgericht so gut geschmeckt!
* * *
Regelmäßige Treffen mit meiner neuen Flamme in diesem Winter führte bald zum gegenseitigem Treueschwur und dazu, dass ich meine eigene Wohnung ziemlich ver nachlässigte. Jung wie Patrick war und noch arbeitslos, hatte er seine Ausbildung zum Zierpflanzengärtner vor kurzem beendet und war allein in die Großstadt gezogen. Nun, nicht ganz allein: er wohnte als Untermieter in einer recht schicken Wohnung beim Johann, einem schwulen, fast fünfzigjährigen, überarbeiteten Steuerfachmann, der regelmäßig zwischen Köln und Hannover pendelte und dort ein Zweitbüro und –Wohnsitz hatte. Johann schien sich, wenn zunächst skeptisch,
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