AVOCADO ZUM FRÜHSTÜCK

jedoch war es nur bei fast geschlossenen Fenstern aufgrund der Einfallstraße und einer nahe gelegenen Feuerwache möglich, ungestört zu arbeiten. Doch man hatte einen ständigen Überblick der / den KollegInnen und konnte deren Befinden fast immer recht gut einschätzen, sowie sich bei Gelegenheit mit jedem/-r unterhalten. Bitte nicht füttern! Hätten wir gern an der Glaszelle geschrieben, in der unsere Chefin und, nach ihrem baldigen Abschied, unser etwas schwachbrüstige Chef untergebracht war. Mein Platz war sinniger Weise direkt außerhalb dieser Enklave, so dass ich ständig vom Strom der Besucher drinnen abgelenkt war. Frustrierend: man konnte die Gesten, Mienen und Körpersprache gut sehen, jedoch nicht hören, worüber gesprochen wurde… Eine Fliege an der Wand wäre ich oft gerne mal gewesen.
    Ich versprach meiner Mannschaft bereits seit Jahren, dass ich einmal ein lustiges Buch über die Gegebenheiten unseres Arbeitsplatzes und deren Geschichten schreiben würde. Die Sprüche der Kunden und Hoteliers sowie deren Formulierungen waren oft zum Schreien. „Ich fühle mich verhohnepiepelt“; „Meine Frau ist nicht rieselfähig“; und vielem mehr . Ein lustiges Buch sollte es immer schon werden, doch dies änderte sich an einem tragischen Tag.
    Florian, einen offen und recht offensichtlich schwulen Teamleiter des Callcenters, hatte mit Mitte dreißig offenbar das Problem, dass seine Anziehungskraft durch seinem wohl eher exzessiven Lebensstil weitgehend verblasst war. An unserem Ufer ein wiederkehrendes und schlecht lösbares Phänomen. Der Genuss von Alkohol und gar Drogen ist leider oft die Folge, die jedoch kein Entkommen bietet wenn man einmal für menschliche Nähe bezahlen muss. Abgespannt, müde und verbraucht sah er oft aus und doch war er das Herz und die Seele unseres Teams, stand einem immer mit Rat und Tat zur Seite, hatte immer ein Lachen oder einen witzigen Spruch übrig und war äußerst beliebt. Dennoch entging uns seinem wirklichen Zustand weitgehend, bis auf das er öfter von Magenschmerzen und Übelkeit geplagt war. Wie es genau um ihn stand? Ich kann nur mutmaßen, denn allzu sehr hatte ich mich leider nie mit ihm beschäftigt.
    Eines Montagmorgens im Spätsommer tauchte er nicht zum spätdienst am Arbeitsplatz auf. „Was hat denn der Florian?“ man versuchte ihn zu erreichen, doch vergebens. Dies war, in einer großen Firma, schon öfter vorgekommen denn Krankheit kam unerwartet und es gab viele Möglichkeiten, mal nicht erreichbar zu sein. Ein leeres Handy, eine plötzliche Notsituation in der Familie oder schlicht den falschen Tag frei genommen und verreist. Man ließ einen Tag verstreichen. Am frühen Dienstag dann immer noch kein Erreichen oder Erscheinen Florians. Nun machte man sich ernsthafte Sorgen und im Hühnerkäfig wurde kräftig gemunkelt und Geflüstert, während man sich im Glaskasten hektisch beriet.
    Ein Besuch in Florians Apartment im Szeneviertel der Stadt begann damit, dass man die Tür von der Polizei öffnen lassen musste. Man fand ihn tot im Bett. Wochen zuvor hatte er einem engen Freund gestanden, dass er oft Drogen zum Einschlafen benutzen musste, um einfach den Alltag zu entfliehen. Jahre später hört sich dies im Zusammenhang mit Michael Jacksons Tod allzu bekannt an. Eine Überdosis nahm beiden das Leben. Die unvorstellbare Nachricht sickerte langsam zu uns durch  - Schock allerseits und Fassungslosigkeit. Alle konnten heim gehen, doch nur wenige taten es: sicher hätte er gewollt, dass die Show weiter geht.
    WARUM??? Teuflische Verschwendung.
    Es gab in den nächsten Tagen ein Kondolenzbuch und einer Schweigeminute. Die Stimmung in unser Callcenter sollte sich im Allgemeinen erst Jahre später erholen, zumal uns nun die Wirtschaftskrise traf und Arbeitsverträge links und rechts leider nicht verlängert werden konnten; zum Schluss war nun noch eine kleine Kernmannschaft übrig. Ich, nur fünf Jahre jünger als dem Verstorbenen Freund und Kollegen, dankte den Sternen für meine seelische Ausgeglichenheit, aber in den folgenden Jahren sah ich Florian immer wieder in durchschnittlich wirkenden Männern, die mir über den Weg liefen und musste jedes Mal schwer schlucken.
     

T  E  I  L   5
     
    Tropical the island breeze
    A ll of nature, wild and free
    This is where I long to be
    La Isla B onita
     
    -Vilankulo-
    Morgens an einem sonnigen Sonntag untersuchte ich noch einmal zu Fuß den Ort Inhassoro und fand ihn ziemlich nichts sagend. Die beste