AVOCADO ZUM FRÜHSTÜCK
das ich zur zusätzlichen Stabilität mit großen Bolzen an der Wand befestigte. Türpfosten wurden später schwarz gestrichen und den Wänden, über eine frische Schicht weiß, mit ordentlich gerahmten Bildern versehen.
Am Tag vor Silvester ging ich noch einkaufen und schaffte alles in einem gemieteten Lieferwagen, der gerade so durch die Einbahnstraßen passte und nur prekär am Bürgersteig parken konnte, heran. Viele restliche Sachen transportierte ich später über fünf Kilometern mit dem Fahrradanhänger durch die Stadt. Am Silvestertag – es hatte keiner meiner Helferlein vom Vortag mehr Zeit – versuchte ich mit mäßigem Erfolg, alles selbst aufzubauen. Vor allem das Bett und das Regal waren eine Herausforderung und einmal klappte mir letzteres mit einem Riesenkrach wieder zusammen da ich wohl die Anleitung nicht ordentlich gelesen hatte! Müde aber zufrieden und dennoch etwas einsam ging ich ins Clique Silvester feiern und trank nicht zum ersten, aber bis Dato zum letzten Mal ordentlich einen über dem vernünftigen Maß. Bier, Schnaps, Wodka: als ich am frühen Neujahrstag heim kam, ging es mir alles wieder gehörig durch den Kopf und am nächsten Tag ging es mir hundeelend. Hätte ich, als ich am Nachmittag aufstand, etwas essen wollen, wäre ohnehin nichts im neuen Haus gewesen. So verbrachte ich den ersten Tag in meiner neuen Freiheit Größenteils im Bett und Bad.
Es stellte sich bald heraus, dass ich ein Haus mit mehreren anderen Schwulen teilte – wir lebten dort ja auch sozusagen im Village. Mit dem einen, einem kleinen Brasilianer, reichte ein Besuch mit Kaffeekränzchen, doch mit dem anderen, einem Deutschen der gleich über mir wohnte und dessen Schritte ich Nachts durch die Holzdecke allzu gut hören konnte, wurde ich nicht so leicht fertig. Begann es noch harmlos mit Zettelchen an der Tür, waren es bald SMS, ausgedehnten Besuchen und ja: Sex, bis hin zum gemeinsamen Trinkgelage in einer urigen Bar in der Nähe. Der Knackpunkt kam jedoch, als der junge Mann mich um drei Uhr nachts an einem Wochentag mit betrunkenen Anrufen weckte. Dagegen konnte ich nicht an und beendete die ohnehin fragwürdige Beziehung kurzerhand. Mit meinem älteren Nachbar von gegenüber hatte ich nie ein Wort mehr als guten Tag! gewechselt, doch bevor ich dies ändern konnte, verschlechterte sich der Zustand des kranken Mannes rasant. Ich sah ihn noch am Tag, als er zum letzten Mal von der Feuerwehr ins Krankenhaus gebracht wurde: Ich starrte den Tod ins Gesicht und mir wurde überall eiskalt. Ob an Krebs oder sonst einer Seuche, niemandem würde ich wünschen, so mit verzweifeltem Blick das Ende entgegen zu sehen.
Ich hatte Beziehungen vorerst satt, wusste nicht, weshalb ich eine neue anfangen sollte und war deshalb und aus finanziellen Gründen in ein möglichst kleines Singleapartment gezogen. Ohne Fernseher, verbrachte ich die Abende meist mit Lesen auf der Couch. Längst hatte ich ein Abonnement der Stadtbibliothek. Regelmäßig - bis zu zwei Mal wöchentlich – ging ich in die Gay-Sauna in der Nähe um dort, Nächte um die Ohren schlagend, zu entspannen aber vor allem meist anonym Sex zu haben. Die Befriedigung war meist nur von kurzer Dauer, doch wähnte ich mich nicht auf einem Irrweg und während ich ein wenig verbissen mein Singledasein lebte, fühlte ich mich gut und hoffte darauf, lange so weiter machen zu können. Ich dachte, ich könnte wenn nötig bis an mein Lebensende dort, am Zentrum des Geschehens, alleine wohnen bleiben.
Dadurch, dass ich nun immer sechs Tage pro Woche arbeitete und der Lohn für Überstunden recht gut war, konnte ich meine Schulden rasch abbezahlen und in dem Jahr sogar zwei Mal ausgiebig in den Urlaub fliegen. Im Frühjahr ging es also wieder nach Südafrika in den dortigen Spätsommer. Ich verbrachte zwei Wochen bei den Eltern in Jbay und eine Woche im herrlichen Kapstadt und musste diesmal keinem Rechnung tragen: Ich mietete ein modernes Apartment mit Blick über die Innenstadt, dafür ein Fahrrad statt eines Autos, um in der Stadt und an den Stränden zu fahren. Dort und in den Bars gabelte ich einige Männer auf, die mit in mein Quartier kamen und mit denen ich – natürlich – phantastischen Sex hatte. Einer davon war sogar so von mir eingenommen, dass er mich Geschenke machte, mehrmals besuchte und zuletzt noch zum Flughafen kutschierte. Gut im Bett zu sein macht sich eben bezahlt, und das sollte nicht zum letzten Mal so sein!
Im Juli wollte ich endlich einmal
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