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Axis

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Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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tue? Haben Sie eine Vorstellung, was das für uns beide bedeuten würde? Und glauben Sie, dass irgendetwas Gutes damit bewirkt werden würde?«
    Brian dachte darüber nach. Er hatte kein Gegenargument parat. Also zog er einen zweiten Umschlag hervor und legte ihn Diesenhall hin.
    »Herrgott, was ist das jetzt schon wieder?«
    »Meine Kündigung.«

 
24
     
     
    Der letzte Mensch, den sie westlich von Bustee sahen, war eine stämmige Asiatin, die gerade dabei war, ihre Sinopec-Tankstelle zu schließen. Sie hatte die Pumpen bereits abgestellt, ließ sie aber noch einmal laufen, bis die beiden Fahrzeuge aufgetankt waren. Unterdessen hielt sie Dvali mit kantonesischem Akzent einen Vortrag darüber, wie närrisch es sei, noch weiter in die Wüste zu fahren. Niemand mehr sei dort, sagte sie. Sogar die Arbeiter auf den Ölfeldern und an den Pipelines seien alle nach Osten gezogen nach dem Ascheregen. »Da draußen war es noch schlimmer.«
    »Schlimmer? Inwiefern?«
    »Einfach schlimmer. Und dann die Erdbeben.«
    »Erdbeben?«
    »Kleine Beben. Haben viel kaputt gemacht. Muss alles repariert werden, wenn es wieder sicher ist, zurückzugehen. Wenn.«
    »Eigentlich sind wir auf dem Weg zur Westküste, auf die andere Seite der Wüste«, sagte Turk.
    »Seltsame Art, dort hinzukommen«, erwiderte die Frau.
     
    Staub aus dem Weltraum, gemischt mit gewöhnlichem Sand, hatte sich an der sonnengebleichten Bretterwand der Tankstelle aufgeschichtet. Der Wind kam aus Süden, heiß und trocken. Eine eingepuderte Welt… Lise dachte daran, was Turk über die Westküste gesagt hatte, die andere Seite der Wüste. Sie stellte sich Wellen vor, die an den Strand schlugen, unternehmungslustige Fischkutter, Regen und Grün und den Geruch von Wasser.
    Als Kontrast zu diesem von einer erbarmungslosen Sonne heimgesuchten Horizont.
    Seltsame Art, dort hinzukommen – zweifellos.
     
    Während der Fahrt beobachtete Sulean Moi, wie Avram Dvali und Anna Rebka sich gegenüber dem Jungen verhielten.
    Seine Mutter, wie es zu erwarten war, legte eine große Fürsorge an den Tag. Dvali war bemüht, doch Isaac schreckte seit Neuestem vor jeder seiner Berührungen zurück. Nichtsdestotrotz zog das Kind immer wieder seine Aufmerksamkeit auf sich.
    Dvali war ein Götzendiener, dachte Sulean. Er betete ein Monstrum an. Er glaubte, dass Isaac der Schlüssel – ja, wozu war? Nicht zur »Kommunikation mit den Hypothetischen« – dieses wissenschaftliche Projekt war längst begraben worden –, sondern zu einem Erkenntnissprung, zu einer Annäherung an die gewaltige Kraft, die diese Welt und andere geformt hatte. Dvali sah in Isaac ein göttliches Wesen, und er wollte den Saum seiner Gewänder berühren, um seinerseits erleuchtet zu werden.
    Und sie? Was wollte sie von Isaac? Eigentlich hatte sie seine Geburt verhindern wollen. Um solchen Tragödien zuvorzukommen, hatte sie die marsianische Botschaft in New York verlassen, war zu einem unwillkommenen Gast in der Gemeinde der terrestrischen Vierten geworden. Betet nicht die Hypothetischen an, hatte sie ihnen gesagt, sie sind keine Götter. Maßt euch nicht an, den Abgrund zwischen ihnen und den Menschen überbrücken zu wollen – er kann nicht überbrückt werden. Wir wissen das. Wir haben es versucht und sind gescheitert. Und dabei haben wir etwas getan, was man nur als Verbrechen bezeichnen kann: Wir haben menschliches Leben für unsere Zwecke geschaffen. Wir haben Leid geschaffen.
    Zweimal war sie einem solchen Projekt zuvorgekommen. Zwei Vierten-Kommunen, eine in Vermont, eine in Dänemark, hatten kurz davorgestanden, ein Hybridkind zu erzeugen. In beiden Fällen hatte Sulean die überwiegend konservative Vierten-Gemeinde alarmiert und das moralische Gewicht in die Waagschale geworfen, das man ihr als marsianischer Vierter zuerkannte. In beiden Fällen war es ihr gelungen, Unheil zu verhindern. Hier aber hatte sie versagt – sie war etliche Jahre zu spät gekommen.
    Und doch bestand sie darauf, das Kind auf dieser Reise, die zweifellos seine letzte sein würde, zu begleiten, obwohl sie sich einfach hätte entfernen können. Übte die Möglichkeit eines Kontakts vielleicht eine ebenso große Faszination auf sie aus wie auf Dvali?
    Nein, das war absurd. Eher lag der Grund darin, dass der Junge ein paar Worte in einer Sprache gesprochen hatte, die er schlechterdings nicht kennen konnte.
    Das hieß: Sie blieb bei ihm, weil sie Angst vor ihm hatte.
     
    »Nehmen Sie das ernst«, fragte Turk, »was die Frau über

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