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Axis

Axis

Titel: Axis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mauern erklomm. Die Station Bar Kea war so angelegt, dass sie die Omod-Berge im Rücken hatte, während sich vor ihr die trockene südliche Ebene, wo ein Großteil des Schutts niedergehen sollte, ausbreitete, im Sternenlicht geheimnisvoll schimmernd. In dieser Nacht schossen die fallenden Sterne wie Feuerstrahlen über den Himmel. Sulean sah ihnen gebannt zu, bis sie von einer unwillkommenen Schläfrigkeit ergriffen wurde und eine der Aufsichtspersonen ihr eine Hand auf die Schulter legte, um sie zurück in ihr Zimmer zu bringen.
    Auch Esh war mit auf die Brüstung gekommen, und obwohl er das grüne und goldene Leuchten des herabstürzenden Mülls genau betrachtete, zeigte er keinerlei Reaktion.
    Im Bett liegend, stellte Sulean fest, dass die Müdigkeit wieder verflogen war. Also dachte sie darüber nach, was sie gesehen hatte. Die Überreste von Ab-ashken- Geräten, Dinge, die Eis und Gestein fraßen, die jahrtausendelang an einsamen Orten fernab der Sonne lebten, starben und in der Atmosphäre verglühten. Manchmal aber entstand daraus auch neues, merkwürdiges Leben – die Geschichtsbücher beschrieben seltsam unvollständige, seltsam mechanische Gewächse, der Witterung auf diesem Planeten schutzlos ausgesetzt. Würde so etwas wieder geschehen? Und wenn ja, würde sie es zu sehen bekommen? Die Astronomen sagten, ein großer Teil des Materials würde nicht allzu weit weg von der Station niedergehen. Sulean konnte es kaum erwarten, ein lebendes Exemplar zu sehen.
    Esh offenbar auch nicht.
    Am nächsten Morgen traf ihn einer der Betreuer dabei an, wie er mit dem Kopf immer wieder gegen die südliche Wand seines Zimmers stieß. Irgendetwas hatte seine gewohnte Gemütsruhe zerstört.
    Sulean wollte ihn sehen – verlangte, ihn zu sehen –, als sie davon hörte, doch es wurde ihr verwehrt, mehrere Tage lang. Ärzte wurden bestellt, um den Jungen zu untersuchen. Er wurde von heftigen Fieberanfällen ergriffen und fiel immer wieder in tiefen Schlaf. Wenn er wach war, bettelte er darum, nach draußen gehen zu dürfen.
    Er aß nichts mehr, und als Sulean endlich in sein Zimmer gelassen wurde, erkannte sie ihn kaum wieder. Zwar war Esh eher pummelig gewesen, mit vollen Wangen, kindlich für sein Alter. Jetzt war er ganz hager, und seine Augen, seltsam goldgesprenkelt, hatten sich weit in die knochigen Höhlen zurückgezogen.
    Sie fragte ihn, was mit ihm sei, und er erwiderte: »Ich möchte sie sehen.«
    »Wen willst du sehen?«
    »Die Ab-ashken.«
    Die dünne Stimme des Jungen ließ das Wort noch seltsamer klingen. Sulean fühlte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief.
    »Wie meinst du das, du willst sie sehen?«
    »Draußen in der Wüste.«
    »Aber da ist nichts.«
    »Doch, die Ab-ashken.«
    Dann begann er zu weinen, und Sulean musste das Zimmer verlassen. Die Krankenschwester folgte ihr in den Gang und sagte: »Seit Tagen bittet er darum, die Station verlassen zu dürfen. Aber das ist das erste Mal, dass er die Ab-ashken erwähnt.«
    Waren sie wirklich dort draußen, die Hypothetischen? Zumindest ihre Überreste? Sulean richtete diese Frage an einen der Betreuer, einen gebrechlichen Mann, der Astronom gewesen war, bevor er zum Vierten wurde. Ja, sagte er, es habe einige Aktivität im Süden gegeben, und zeigte ihr eine Reihe von Luftbildern, die in den vorangegangenen Tagen aufgenommen worden waren.
    Zu sehen war eine Landschaft, die sich nicht wesentlich von dem Ödland vor den Toren der Station unterschied: Sand, Staub, Gestein. An einem Hang jedoch lag eine Reihe von Objekten, die so unnatürlich, so grotesk waren, dass sie sich einer Beschreibung entzogen: bunte Röhren, silbergraue sechseckige Spiegel, gegliederte Kugeln. Vieles davon miteinander verbunden wie die Teile eines riesigen Insekts.
    »Das muss es sein, wo er hinwill«, sagte Sulean.
    »Vermutlich. Aber wir können es ihm nicht erlauben. Das Risiko ist zu groß. Er könnte zu Schaden kommen.«
    »Hier kommt er auch zu Schaden. Er sieht aus, als würde er sterben.«
    Der Betreuer zuckte mit den Achseln. »Die Entscheidung darüber liegt weder bei dir noch bei mir.«
    Vielleicht. Aber Sulean hatte Angst um Esh. Er war ihr einziger Freund, und es war nicht richtig, dass er gegen seinen Willen festgehalten wurde. Sie stellte sich vor, wie sie sich in sein Zimmer schlich und ihn herausschmuggelte… aber die Flure der Station waren nie leer, und Esh stand unter ständiger Aufsicht.
    Auch wurde es ihr nicht sehr oft erlaubt, ihn zu sehen, und das

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