Ayesha - Sie kehrt zurück
Ebenen von Kaloon und die im Dunst verschwimmenden, fernen Gebirge in flüssiges Gold. Ayesha blickte auf das weite Panorama und sagte zu Leo: »Die Welt ist wunderschön. Ich schenke sie dir.«
Jetzt sprach Atene zum ersten Mal seit der Transformation Ayeshas.
»Willst du damit sagen, Hes – falls du noch immer die Hesea bist und kein Dämon aus der Tiefe des Kraters –, daß du mein Land diesem Mann als Geschenk deiner Liebe geben willst? Wenn dem so ist, sage ich dir, daß du es erst erobern mußt.«
»Deine Worte und deine Haltung sind sehr unfreundlich«, sagte Ayesha, »doch will ich dir beides vergeben, denn auch ich bin darüber erhaben, eine Rivalin in der Stunde ihrer Niederlage zu verhöhnen. Als du die Schönere von uns beiden warst, hast du ihm eben dieses Land angeboten. Doch sage, wer ist jetzt die Schönere? Seht uns an, ihr alle, und urteilt!« Sie stellte sich neben Atene und lächelte.
Die Khania war eine sehr schöne Frau. Niemals, wenn ich mich recht erinnere, habe ich eine schönere gesehen. Doch wie plump und armselig wirkte sie neben der wilden, ätherischen Schönheit der wiedergeborenen Ayesha. Denn diese Schönheit war nicht nur menschlich, noch weniger, als sie es in den Höhlen von Kôr gewesen war; jetzt war es die Schönheit eines Geistes.
Das matte Licht, das immer auf Ayeshas Stirn schimmerte; die weit auseinanderliegenden, wunderschönen Augen, die manchmal mit dem funkelnden Feuer der Sterne erfüllt waren, und manchmal mit der blauen Dunkelheit des Himmels; die geschwungenen Lippen, so fröhlich, und doch so stolz; das lange, seidenweiche Haar, das im Wind wehte, als ob es ein eigenes Leben hätte; die Haltung, die nicht so sehr Majestät verriet, sondern eine geheime Macht, die nur schwer zu bändigen war; das ›Licht der Seele‹, von dem Oros gesprochen hatte, das jetzt nicht mehr durch das zerfallende Gefäß des Körpers angesehen werden mußte, sondern in einer Alabastervase brannte – keines dieser Dinge und keine dieser Qualitäten war nur menschlich. Ich fühlte es und bekam Angst, und Atene fühlte es ebenfalls, denn sie sagte:
»Ich bin nur eine Frau. Was du bist, mußt du selbst am besten wissen. Trotzdem: keine Fackel kann inmitten jener Feuer strahlen, und kein Glühwürmchen vor einem Stern, und genausowenig kann mein sterbliches Fleisch sich mit der Schönheit messen, die du dir von der Hölle verdient hast, als Lohn für deine Gaben und deine Gebete an den Lord des Bösen. Doch als Frau bin ich dir gleich, und als Geist werde ich deine Herrin sein, wenn dir deine geliehene Schönheit wieder genommen worden ist und du, Ayesha, nackt und beschämt vor dem Richter stehst, den du verlassen und verleugnet hast; ja, so wie du eben dort standest, am Rand des Felsens über der Feuergrube, so sollst du wieder stehen und deine verlorene Liebe beweinen. Denn dieses weiß ich, meine Feindin: daß Mensch und Geist sich nie vereinen können .« Atene schwieg, fast erstickt an ihrer bitteren Wut und Eifersucht.
Ich blickte Ayesha an und sah, wie sie unter den scharfen, anklagenden Worten zusammenzuckte, und ich sah, wie ihre roten Lippen grau wurden, wie ein düsterer Ausdruck in ihre Augen trat. Doch innerhalb weniger Sekunden schien sie ihre Angst überwunden zu haben, und sie fragte mit einer Stimme, die klar wie eine Silberglocke tönte:
»Warum tobst du, Atene, wie ein kurzlebiger Sommersturm, der sich gegen das Bollwerk einer fugenlosen Klippe wirft? Glaubst du, arme Kreatur einer Stunde, daß du den Fels meiner ewigen Kraft mit ein paar Schaumblasen zerstören kannst? Gib es auf und höre! Ich habe nicht die geringste Absicht, dir dein armseliges Land zu nehmen, da ich, wenn ich wollte, das ganze Imperium der Erde erobern könnte. Doch wisse, daß es auf dein Verhalten ankommt. Bald werde ich dich in deiner Stadt besuchen – bei dir liegt es ob in Frieden, oder im Krieg!
Deshalb, Khania, säubere deinen Hof und ändere deine Gesetze, damit ich Zufriedenheit im Lande vorfinde, die ihm jetzt fehlt, wenn ich nach Kaloon komme, um dich als Herrscherin zu bestätigen. Noch einen Rat will ich dir geben: daß du dir einen würdigen Mann suchst, der dein Gemahl werden kann. Die Wahl überlasse ich völlig dir, solange er gerecht und aufrichtig ist und er dir den weisen Rat geben kann, den du so bitter nötig hast, Atene.
Kommt jetzt, meine Gäste, laßt uns gehen!« Sie ging an der Khania vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Der Angriff erfolgte so
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