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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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verneigten und dann singend durch die Apsis zogen und durch die Tür verschwanden, die sich hinter ihnen schloß.
    Als sie gegangen waren, blieben wir allein zurück. Nur Oros und Papave standen noch neben Ayesha, um ihr zu Diensten zu sein. Ayesha, die mit leeren Augen vor sich hingestarrt hatte, schien plötzlich aufzuwachen, denn sie erhob sich und sagte: »Ein wunderbarer Gesang, nicht wahr? Und ein Gesang der Antike. Es war das Hochzeitslied für Isis und Osiris in Behbit, in Ägypten, und dort habe ich ihn gehört, bevor ich jemals die dunklen Höhlen von Kôr sah. Ich habe oft gemerkt, mein Holly, daß Musik einen längeren Bestand hat, als alles andere in dieser wechselvollen Welt, doch ist es selten, daß auch die Worte unverändert bleiben. Komm, Geliebter – sage mir, bei welchem Namen soll ich dich nennen? Du bist Kallikrates, und doch ...«
    »Nenne mich Leo, Ayesha«, sagte er, »wie ich in dem einzigen Leben, von dem ich weiß, getauft worden bin. Dieser Kallikrates scheint ein sehr unglücklicher Mensch gewesen zu sein, und seine Taten, wenn er wirklich nichts anderes als ein Instrument des Schicksals war, haben den Erben seines Körpers nichts Gutes gebracht – oder den Erben seiner Seele, wenn das richtiger sein sollte – und auch nicht den Frauen, mit deren Leben das seine verbunden war. Also nenne mich Leo, denn von Kallikrates habe ich genug seit jener Nacht in Kôr, als ich vor seiner sterblichen Hülle stand.«
    »Ah! Ich erinnere mich«, sagte sie, »als du dich selbst in jenem engen Bett liegen sahst und ich dir ein Lied vorsang, von der Vergangenheit und der Zukunft? Ich kann mich noch an ein paar seiner Worte erinnern, den Rest habe ich vergessen:
     
    Voran, ohne Müdigkeit, in ein Gewand aus Sonnenglanz gekleidet, bis unser Schicksal sich vollendet und Nacht auf uns herniederstürzt.
     
    Ja, mein Leo, jetzt haben wir das Gewand aus Sonnenglanz errungen, und unser Schicksal nähert sich seiner Erfüllung. Dann wird vielleicht die Nacht niederstürzen.« Sie seufzte und sah ihn mit einem zärtlichen Blick an. »Sieh, ich spreche arabisch mit dir. Hast du die Sprache vergessen?«
    »Nein.«
    »Dann soll es unsere Sprache sein, denn ich liebe sie mehr als alle anderen, da ich sie auf den Knien meiner Mutter erlernt habe. Laß mich jetzt für eine Weile allein. Ich muß nachdenken. Außerdem«, setzte sie langsam und mit einer seltsamen Härte in ihrer Stimme hinzu, »warten einige auf Audienz.«
     
    Also gingen wir und ließen sie allein, in der Annahme, daß Ayesha vielleicht eine Delegation von Häuptlingen der Bergstämme empfangen würde, die gekommen waren, um ihr zur Verlobung zu gratulieren.

18
     
    Das dritte Gottesurteil
     
     
    Eine Stunde oder zwei vergingen. Wir waren in unserem Schlafzimmer und wollten uns ausruhen. Es gelang uns jedoch nicht, da irgendein Einfluß die Ruhe störte.
    »Warum kommt Ayesha nicht?« fragte Leo schließlich. Er war seit einiger Zeit im Raum auf und ab gegangen und blieb nun stehen. »Ich muß sie sehen. Ich ertrage es nicht, von ihr getrennt zu sein. Ich habe das Gefühl, daß sie mich ständig zu sich zieht.«
    »Wie kann ich dir das sagen? Frage Oros. Er ist vor der Tür.«
    Also gingen wir hinaus und fragten ihn, doch Oros lächelte nur und sagte, daß die Hesea noch nicht in ihre Räume zurückgekehrt sei, sich also noch im Tempel aufhalten müsse.
    »Dann werde ich sie dort suchen. Komm, Oros, und auch du, Horace!«
    Oros verneigte sich, lehnte es jedoch ab, Leo zu begleiten, da er den Befehl habe, vor unserer Tür zu wachen. Er fügte hinzu, daß wir, ›denen alle Türen offen stünden‹, auch ohne ihn zum Tempel gehen könnten, wenn wir es für richtig hielten.
    »Ich halte es für richtig«, sagte Leo scharf. »Kommst du mit, Horace, oder soll ich ohne dich gehen?«
    Ich zögerte. Der Tempel war für jedermann zugänglich, das stimmte, doch Ayesha hatte gesagt, daß sie einige Zeit allein zu bleiben wünsche. Aber Leos Entschluß schien unumstößlich. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und verließ den Raum.
    »Du wirst den Weg nicht finden«, sagte ich, während ich ihm folgte.
    Wir gingen endlose Korridore entlang, die nur matt erhellt waren, und gelangten schließlich in den Tunnel, der zu der großen Doppeltür führte. Hier brannten keine Lampen mehr. Wir tasteten uns durch das Dunkel, bis wir die Tür erreichten. Beide Flügel waren geschlossen, doch Leo preßte sich ungeduldig gegen das Holz, und es gelang ihm, einen

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