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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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»Oros, deine Medizin, den Absud, den ich dir befahl mitzubringen! Und mach schnell!«
    Der Priester verneigte sich und zog aus einer Tasche seiner weiten Robe einen Flakon hervor, den er öffnete und Leo reichte.
    »Trinke dies, mein Lord; es wird dir deine Kräfte zurückgeben.«
    »Das hoffe ich«, sagte Leo und richtete sich auf; und mit seinem gewohnten fröhlichen Lachen setzte er hinzu: »Ich bin durstig, da ich seit der vergangenen Nacht nichts getrunken und gegessen habe; und ich habe hart gekämpft und bin weit getragen worden, und – ja – ich habe einen höllischen Sturm über mich ergehen lassen müssen.«
    Er nahm den Flakon und leerte ihn in einem Zug.
    Es mußte eine sehr wirkungsvolle Medizin gewesen sein; jedenfalls war die Veränderung, die sie in Leo hervorrief, wunderbar. Innerhalb einer Minute wurden seine Augen wieder klar, und die Farbe kehrte in seine Wangen zurück.
    »Deine Medizinen sind sehr gut, wie ich es schon früher erkannt habe«, sagte er zu Ayesha, »doch die beste Medizin für mich ist, dich unverletzt und siegreich vor mir zu sehen, und zu wissen, daß ich, der dem Tod so nahe war, noch am Leben bin, um dich willkommen zu heißen, meine Geliebte. Dort ist etwas Braten«, fuhr er fort und deutete auf eine Platte mit Fleischstücken, »darf ich jetzt essen, bevor ich vor Hunger umfalle?«
    »Ja«, sagte sie leise, »iß; und du, mein lieber Holly, iß auch etwas!«
    So fielen wir über die Platte mit kalten Bratenstücken her; ja, anders kann man es nicht nennen, und stopften uns in Gegenwart der Toten, die jetzt noch königlicher aussah als im Leben, voll; und vor den Augen des alten Magiers, der reglos und machtlos wie eine Steinskulptur stand, und vor Ayesha, diesem unerklärlichen Wesen, das eine ganze Armee mit den entsetzlichen Waffen der Natur vernichten konnte, die Diener ihres Willens waren.
    Oros aß nicht mit uns, sondern blieb dort, wo er war, und lächelte uns wohlwollend zu. Und auch Ayesha rührte kein Essen an.

23
     
    Die Hingabe Ayeshas
     
     
    Als ich satt war, aß Leo noch immer. Der Blutverlust und die Wirkung des starken Tonikums, das Oros ihm verabreicht hatte, schienen einen gewaltigen Hunger bewirkt zu haben.
    Ich blickte in sein Gesicht und stellte fest, daß es sich seltsam verändert hatte; es war keine plötzliche Veränderung, die in den letzten Stunden hervorgerufen worden war, sondern ein seit geraumer Zeit andauernder, allmählicher Prozeß, dessen Anzeichen ich jedoch erst jetzt bemerkte. Außer der Abmagerung, von der ich bereits gesprochen habe, war sein Gesicht ätherischer geworden, und in seinen Augen lagen die tiefen Schatten der Vorahnung kommender Dinge.
    Der Anblick schmerzte mich, ohne daß ich mir der Gründe dafür bewußt wurde. Er war nicht mehr der Leo, den ich gekannt hatte, der große, kräftige, fröhliche, aufrechte Wanderer, Jäger und Kämpfer, dem es vergönnt war, einen Geist, der in die Form perfekter weiblicher Schönheit gegossen worden war, zu lieben, und von ihm geliebt zu werden. All diese Dinge waren noch vorhanden, doch der Mann selbst hatte sich verändert, und ich war sicher, daß diese Veränderung ihren Ursprung in Ayesha hatte; sein Gesichtsausdruck war in erschreckender Weise ihrem ähnlich geworden, wenn sie entspannt war.
    Sie beobachtete ihn ebenfalls, sah ihn mit nachdenklichen, verträumten Augen an, bis plötzlich ein Gedanke durch ihr Gehirn zu zucken schien, denn ihre Augen blitzten auf, und das Blut schoß in ihre Wangen. Ja, die mächtige Ayesha, deren Opfer, die sie für Leo hingemetzelt hatte, zu tausenden auf der Ebene vor der Stadt lagen, errötete wie eine Jungfrau beim ersten Kuß ihres Geliebten. Leo erhob sich von dem Tisch, an dem wir gegessen hatten. »Ich wollte, ich wäre bei der Schlacht dabei gewesen«, sagte er.
    »Am Fluß hat es eine Schlacht gegeben«, antwortete sie, »hier nicht. Meine Diener des Feuers, der Erde und der Luft haben zugeschlagen; mehr war nicht. Ich habe sie aus ihrem Schlaf erweckt, und auf meinen Befehl hin haben sie den Feind geschlagen und dich gerettet.«
    »Viele Leben sind für das eines einzigen Mannes ausgelöscht worden«, sagte Leo ernst, als ob der Gedanke ihn schmerze.
    »Und wenn es Millionen gewesen wären statt der tausende, so hätte ich jeden von ihnen geopfert. Auf mein Haupt gehen diese Toten, nicht auf das deine. Oder vielmehr auf das ihre.« Sie deutete auf die tote Atene. »Ja, auf das ihre, die diesen Krieg begonnen hat. Auf jeden Fall

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