Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
Vom Netzwerk:
bitten. Ich verwies mit leichtem Zittern auf meine Ausbildung bei Mr.
    Gresham, doch waren meine Befürchtungen unbegründet - mein verstorbener Arbeitgeber hatte das Geheimnis meines dem Berufsethos widersprechenden Verhaltens mit ins Grab genommen. Eine glücklicherweise offene Stelle ermöglichte es, daß ich unverzüglich eingestellt wurde.
    Dann folgten flüchtige, alptraumartige Erinnerungen an Nächte unfrommer Pilgerfahrten und das unüberwindliche Verlangen, diese gesetzeswidrigen Wonnen zu erneuern. Ich ließ jede Vorsicht fahren und startete eine neue Reihe
    verdammenswerter Ausschweifungen. Wieder einmal lieferten die teuflischen Einzelheiten meiner Verbrechen der Sensationspresse willkommenes Material, sie wurden mit den blutigen Wochen des Schreckens verglichen, welche die Stadt vor Jahren in Panik versetzt hatten. Wieder einmal warf die Polizei ihr Fangnetz aus und barg in den sich
    zusammenziehenden Schlingen - nichts!
    Mein Verlangen nach dem giftigen Nektar der Toten wuchs sich zu einem verzehrenden Feuer aus, und ich begann, die Pausen zwischen meinen abscheulichen Streifzügen zu verkürzen. Ich erkannte, daß ich mich auf gefährlichem Boden bewegte, aber eine dämonische Begierde hielt mich mit ihren quälenden Fangarmen umfaßt und trieb mich an zu weiteren Taten.
    Während dieser Zeit stumpfte mein Gemüt immer mehr gegen jeden Einfluß ab, mit Ausnahme der Befriedigung meines wahnsinnigen Verlangens. Unbedeutende Einzelheiten, die für jemanden, der sich auf solche bösen Eskapaden einläßt, von lebenswichtiger Bedeutung sind, entgingen mir.
    Irgendwie, irgendwo hinterließ ich eine unmerkliche Spur, einen flüchtigen Fingerzeig - nicht genug, um meine Verhaftung zu rechtfertigen, aber ausreichend, um die Flut der Verdächtigungen in meine Richtung zu lenken. Ich spürte dieses Belauern, war jedoch nicht fähig, dem wachsenden Verlangen nach mehr Toten zur Belebung meiner entkräfteten Seele Einhalt zu gebieten.
    Und dann kam die Nacht, als mich der schrille Pfiff der Polizei aufschreckte, als ich mich gerade teuflisch an der Leiche meines letzten Opfers windete und ein blutiges Rasiermesser noch immer fest in der Hand hielt. Mit einer flinken Bewegung schloß ich das Rasiermesser und steckte es in die Manteltasche.
    Gummiknüppel trommelten einen heftigen Rhythmus an der Tür. Ich schlug das Fenster mit einem Stuhl ein und dankte dem Schicksal, daß ich eine der billigeren Wohngegenden als Unterkunft gewählt hatte. Ich ließ mich in eine schäbige Gasse gleiten, als blauuniformierte Gestalten durch die eingeschlagene Tür drängten. Ich flüchtete über wackelige Zäune, durch schmutzige Hinterhöfe, vorbei an baufälligen Hütten, trübe beleuchtete enge Gassen entlang. Auf einmal fielen mir die bewaldeten Moore ein, die vor der Stadt lagen und sich an die fünfzig Meilen weit bis zu den Außenbezirken Fenhams erstreckten. Wenn ich dieses Ziel erreichte, war ich erstmal in Sicherheit. Vor der Morgendämmerung kämpfte ich mich hastig durch dieses abschreckende Ödland, stolperte über die verrottenden Wurzel halb abgestorbener Bäume, deren nackte Zweige sich wie groteske Arme ausstreckten und mich mit höhnischen Umarmungen zu umstricken suchten.
    Die Geister der ruchlosen Götter, denen ich meine
    inbrünstigen Gebete darbrachte, mußten meine Schritte durch den bedrohlichen Morast gelenkt haben. Eine Woche später -
    erschöpft, durchnäßt und ausgemergelt - verbarg ich mich in den Wäldern eine Meile von Fenham entfernt. Bislang war ich meinen Verfolgern entkommen, doch wagte ich nicht, mich zu zeigen, denn ich wußte, daß die Fahndung auch im Rundfunk gelaufen sein mußte. Ich hoffte vage, daß es mir gelungen war, meine Spuren zu verwischen. Nach jener ersten Wahnsinnsnacht hörte ich keinen Klang fremder Stimmen mehr, kein Gespräch schwerer Körper, die sich durch das Unterholz kämpften.
    Vielleicht war man zu dem Schluß gekommen, daß meine Leiche in irgendeinem stehenden Gewässer verborgen lag oder auf immer im Sumpf, der nichts mehr losließ, verschwunden war.
    Hunger nagte schmerzhaft an meinen Eingeweiden, der Durst hatte meine Kehle ausgedörrt. Weit schlimmer jedoch war die unerträgliche Gier meiner hungrigen Seele nach dem Anreiz, den ich nur in der Nähe der Toten fand. Meine Nasenlöcher zuckten in süßer Erinnerung. Ich konnte mich nicht mehr mit dem Gedanken täuschen, daß dieses Verlangen eine bloße Laune der erhitzten Phantasie wäre. Ich wußte jetzt, daß

Weitere Kostenlose Bücher