Azathoth - Vermischte Schriften
den vier Männern, die schließlich mit entschlossenen Mienen im Wagen des Arztes zu dem verhaßten Haus
aufbrachen, wurden besonders ehrfürchtig vage Sagen und ziemlich hinterhältige Bruchstücke von Dorfklatsch, die von neugierigen Großmüttern überliefert worden waren,
ausgetauscht - Sagen und Gerüchte, die selten wiederholt und beinahe nie systematisch verglichen wurden. Sie reichten bis in das Jahr 1692 zurück, als ein Tanner auf dem Galgenberg in Salem nach einem Hexenprozeß hingerichtet worden war, wurden aber erst ausführlicher zu jener Zeit, da das Haus errichtet wurde - 1747 -, doch war der querliegende Anbau jüngeren Datums. Selbst dann waren die Geschichten nicht sehr zahlreich, denn so seltsam die Tanners auch alle waren, erst der letzte von ihnen, der alte Simeon, wurde von den Leuten sehr gefürchtet. Er trug zu dem Ererbten bei - etwas Entsetzliches, flüsterten alle - und mauerte die Fenster des südöstlichen Zimmers zu, dessen Ostwand auf den Sumpf hinausschaute.
Dieser Raum diente als Arbeitszimmer und Bibliothek, und er wies eine Tür von doppelter Dicke mit Verstärkungen auf. Man hatte sie in jenem schrecklichen Winter 1819 mit Äxten eingeschlagen, als stinkender Rauch aus dem Schornstein qualmte. Drinnen fand man Tanners Leiche - mit jenem Gesichtsausdruck. Wegen dieses Ausdrucks - und nicht wegen der zwei knospenden Knochen unter dem buschigen weißen Haar - hatte man die Leiche und die Bücher und Manuskripte, die in diesem Raum aufbewahrt worden waren, verbrannt.
Die kurze Entfernung zu dem Tanner-Haus war jedoch schon zurückgelegt, ehe noch wichtige historische Angelegenheiten geklärt werden konnten.
Als der Arzt, als Anführer der Gruppe, die Fliegentür öffnete und den gewölbten Eingang betrat, fiel auf, daß das Geräusch der Schreibmaschine plötzlich verstummte. An diesem Punkt glaubten zwei der Männer auch einen schwachen Hauch kalter Luft bemerkt zu haben - was sich mit der großen Hitze jenes Tages überhaupt nicht vereinbaren lassen wollte -, auch wenn sie sich später weigerten, es zu beschwören. Der Flur befand sich in vollkommener Ordnung, ebenso die verschiedenen Räume, die sie auf der Suche nach dem Arbeitszimmer betraten, in dem Blake vermutlich zu finden war. Der Schriftsteller hatte sein Haus mit erlesenem Geschmack im Kolonialstil
eingerichtet, und obwohl er außer einem Diener keine weiteren Bediensteten hatte, war es ihm gelungen, es in einem Zustand lobenswerter Sauberkeit zu halten.
Dr. Morehouse führte seine Männer von Zimmer zu Zimmer durch die weit offenen Türen und Durchgänge, bis er schließlich die Bibliothek oder das Arbeitszimmer fand, das er suchte -
einen prächtigen, nach Süden gelegenen Raum im Erdgeschoß, der an das einst gefürchtete Arbeitszimmer von Simeon Tanner anschloß, bis zur Decke mit Büchern vollgestellt, die der Diener nach einem einfallsreichen Tastsinn-Arrangement aufgestellt hatte, und die umfangreichen Braille-Bände, die der Schriftsteller selbst mit empfindsamen Fingerspitzen las.
Richard Blake war natürlich da, er saß wie gewöhnlich vor seiner Schreibmaschine, auf Tisch und Fußboden ein vom Luftzug verstreuter Stoß frischgeschriebener Seiten, ein Blatt noch immer in der Maschine eingespannt. Er hatte ziemlich plötzlich zu arbeiten aufgehört, schien es, vielleicht infolge eines kalten Luftzugs, der ihn veranlaßt hatte, den Kragen seines Schlafrocks hochzuziehen, und sein Kopf war dem Eingang des angrenzenden sonnigen Raums in einer Art und Weise zugewandt, die ganz der eines Menschen entsprach, dessen Mangel an Sehvermögen und Gehör jede Empfindung der Außenwelt ausschließt.
Als Dr. Morehouse sich dem Schriftsteller soweit genähert hatte, daß er ihm ins Gesicht sehen konnte, erbleichte er und bedeutete den anderen, stehenzubleiben. Er brauchte Zeit, um sich zu fassen und jede Möglichkeit einer entsetzlichen Illusion zu zerstreuen. Er brauchte keine Vermutungen mehr anzustellen, warum man die Leiche des alten Simeon Tanner in jener Winternacht wegen ihres Gesichtsausdruckes verbrannt hatte, denn da war etwas, dem sich nur ein gut diszipliniertes Gemüt stellen konnte. Der verstorbene Richard Blake, dessen Schreibmaschine ihr unbekümmertes Klappern erst eingestellt hatte, als die Männer das Haus betraten, hatte trotz seiner Blindheit etwas gesehen, und das hatte Auswirkungen auf ihn gehabt. Der Ausdruck in seinem Gesicht hatte nichts Menschliches an sich, und auch nicht die glasige,
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