Azathoth - Vermischte Schriften
mit ihm ein Wissen stirbt, ohne das die Welt besser dasteht.
Das Manuskript, das hier folgt, wurde freundlicherweise von Floyd Morehouse, Esq., dem Sohn des Arztes, abgeschrieben.
Einige durch Sternchen markierte Auslassungen sind im Interesse des öffentlichen Seelenfriedens vorgenommen worden; an anderen Stellen ergeben sich Lücken infolge der Unbestimmtheit des Textes, dort wo das blitzschnelle Blindschreiben des betroffenen Autors Unzusammenhängendes oder Mißverständliches hervorgebracht hat. An drei Stellen, wo die Lücken durch den Zusammenhang ziemlich gut erhellt werden, hat man versucht, sie zu ergänzen. Was den Stilbruch gegen Schluß angeht, bewahrt man darüber besser
Stillschweigen. Gewiß erscheint es glaubhaft genug, diese Erscheinung, sowohl was den Gehalt und den physischen Aspekt des Tippens angeht, dem gemarterten und verfallenden Geist eines Opfers zuzuschreiben, dessen frühere
Behinderungen angesichts der neuen Herausforderung zu Nichts verblaßten. Kühnere Geister mögen nach Belieben ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Hier also ist das Dokument, geschrieben in einem verfluchten Haus von einem Gehirn, dem der Anblick und die Töne der Welt verschlossen waren - ein Gehirn, das allein und ungewarnt dem Mitleid und dem Spott der Mächte ausgeliefert war, denen kein sehender und hörender Mensch sich je ausgesetzt fand. Da es allem widerspricht, was wir mittels Physik, Chemie und Biologie vom Universum wissen, wird es der logische Verstand als ein eigentümliches Produkt von Dementia halten - eine Demenz, die sich auf gnädige Weise dem Manne bemerkbar machte, der rechtzeitig aus dem Haus fliehen konnte. Und dafür mag man es durchaus halten, solange Dr. Morehouse nicht sein Schweigen bricht.
Vage Befürchtungen über die letzte Viertelstunde werden jetzt zu konkreten Ängsten. Um damit anzufangen, ich bin fest davon überzeugt, daß mit Dobbs etwas passiert sein muß. Zum ersten Mal, seit wir zusammen sind, ist er auf meinen Ruf nicht gekommen. Als er auf mein wiederholtes Läuten nicht reagierte, kam ich zu dem Schluß daß die Glocke defekt sein muß, doch habe ich so heftig auf den Tisch getrommelt, daß auch ein Schutzbefohlener Charons wach geworden wäre. Zunächst glaubte ich, er habe sich aus dem Haus geschlichen, um frische Luft zu schnappen, denn es war den ganzen Vormittag heiß und schwül, aber es sieht Dobbs überhaupt nicht ähnlich, so lange fortzubleiben, ohne sich zuerst zu vergewissern, daß ich nichts brauche. Der ungewöhnliche Vorfall in den letzten Minuten bestätigt jedoch meinen Verdacht, daß Dobbs nicht aus freiem Willen unauffindbar ist. Dasselbe Ereignis veranlaßt mich auch, meine Eindrücke und Vermutungen dem Papier anzuvertrauen in der Hoffnung, daß der bloße Akt des Aufzeichnens die düstere Ahnung einer bevorstehenden Tragödie zerstreut. So sehr ich mich auch bemühe, ich komme nicht von den Sagen los, die mit diesem alten Haus verknüpft sind - reiner
abergläubischer Firlefanz, in dem Pygmäenhirne schwelgen mögen, und auf den ich keine Gedanken verschwenden würde, wäre Dobbs hier.
In all den Jahren, da ich von der mir vertrauten Welt abgeschnitten war, war Dobbs mein sechster Sinn. Nunmehr, zum ersten Mal seit meiner Krankheit, erkenne ich das volle Ausmaß meiner Ohnmacht. Dobbs hatte meine blinden Augen, meine nutzlosen Ohren, meine stimmlose Kehle und meine verkrüppelten Beine wettgemacht. Auf meinem
Schreibmaschinentischchen steht ein Glas Wasser. Ohne Dobbs, der es füllt, sobald es geleert ist, wird meine Qual der des Tantalus gleich.
Wenige sind zu diesem Haus gekommen, seit wir hier leben -
es gibt kaum Berührungspunkte zwischen händelsüchtigen Landbewohnern und einem Gelähmten, der nicht sehen, nicht hören und nicht zu ihnen sprechen kann -Tage mögen vergehen, ehe jemand erscheint. Allein... nur in Gesellschaft meiner Gedanken, beunruhigenden Gedanken, die die Wahrnehmungen der letzten Minuten in keiner Weise beschwichtigen können.
Mir gefallen diese Empfindungen auch nicht, denn immer stärker verwandeln sie reinen Dorfklatsch in phantastische Bilder, die meine Gefühle auf eigenartige und beinahe beispiellose Art und Weise beeinflussen.
Stunden scheinen vergangen zu sein, seit ich begonnen habe, das niederzuschreiben, aber ich weiß, daß es nur ein paar Minuten sein können, denn ich habe eben dieses neue Blatt in die Maschine eingespannt. Die mechanische Handlung, die Blätter auszutauschen, so kurz sie auch dauert,
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