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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bettes fluchte, versuchte seine Hand wieder zu ergreifen und taumelte im nächsten Augenblick einen Schritt zurück, als Hansen ihm die Faust mit aller Gewalt in den Leib trieb.
    »Nicht schlecht«, sagte Artner anerkennend. »Aber auch nicht gut. Jedenfalls nicht gut genug. Den beiden bist du nicht gewachsen, fürchte ich. Sie verstehen ihr Handwerk.« Er lächelte weiter, und diese furchtbare Vertrautheit nahm noch zu. Es war gar nicht sein Gesicht, das sich verändert hatte. Es waren seine Augen. Etwas in seinen Augen, das Hansen wiedererkannte. Etwas, das er beinahe zwanzig Jahre seines Le bens gesehen und fast die gleiche Zeit über gefürchtet hatte. Und gehaßt. Verzweifelt bäumte er sich auf und versuchte auch seinen anderen Arm loszureißen, aber es war so, wie das Artner-Ding gesagt hatte: Er war den beiden Pflegern nicht gewachsen. Die beiden waren viel stärker als er, und was die angeblich so absolute Kraft anging, die die Todesangst verleihen sollte, so war sie entweder nur eine Legende, oder die beiden Pfleger waren im Umgang mit ihr geübt. Er versuchte einen zweiten Fausthieb anzubringen, aber diesmal fing der Mann seinen Schlag mit einer fast spielerischen Bewegung ab, packte ihn und verdrehte seinen Arm. Ein grausamer Schmerz explodierte in seiner Schulter, und er schrie wieder, diesmal vor Qual.
    »Seien Sie vorsichtig«, mahnte der Arzt. »Tun Sie ihm nicht unnötig weh.« Er griff in die Tasche, zog ein schmales Etui heraus und entnahm ihm eine bereits fertig aufgezogene Spritze.
    »Keine Angst, Hansen«, sagte er. »Sie werden sich gleich besser fühlen. Wir wollen Ihnen doch nur helfen.«
    »Das bezweifle ich«, sagte Artn er fröhlich. »Ich meine: nicht, daß er dir helfen will. Aber daß du dich gleich besser fühlen wirst.«
    Hansen kämpfte mit aller Kraft. Selbst den beiden Pflegern gelang es nur mit äußerster Mühe, ihn auf das Bett zurückzudrücken und so festzuhalten, daß der Arzt die Spritze ansetzen konnte, aber es gelang ihnen. Hansen spürte ein kurzes, aber heftiges Brennen in der Armbeuge und fast unmittelbar darauf ein taubes Gefühl, das sich wie eine warme, beruhigende Woge in seinem ganzen Körper auszubreiten begann.
    »Ein Hoch auf die moderne Chemie«, sagte Artner. Er applaudierte spöttisch. Das Skalpell, das noch immer in seinem l inken Unterarm steckte, bewegte sich rhythmisch wie der Zeiger eines höllischen Metronoms, und er hatte die Hand vom Gesicht genommen, so daß seine Wange wieder heruntergeklappt war und mit einem flappenden Geräusch gegen sein Kinn schlug.
    »Gleich schläfst du ein, wetten wir?« fuhr er fort. »Aber bevor du es tust, habe ich noch eine Überraschung für dich. Paß auf - den Trick kann ich nur einmal vorführen, fürchte ich.«
    Er trat einen Schritt zurück und damit halb durch den Arzt hindurch, der die Spritze aus Hansens Vene zog und besorgt und sehr aufmerksam auf ihn herabsah. »Sie fühlen sich gleich besser«, sagte er, »Sie werden einschlafen, und wenn Sie aufwachen, ist alles vorbei, das verspreche ich.«
    »Unsinn«, fügte Artn er hinzu. »Dabei habe ich ihm so oft gesagt, daß er keine Versprechungen machen soll, die er nicht halten kann. Aber manche lernen es nie.«
    Er zog das Skalpell aus seinem Arm, drehte es herum und stieß sich die rasiermessers charfe Klinge gute zwei Zentime ter in den Bauch. Die Wunde blutete nicht, aber sein Kittel, das Hemd und das weiße Fleisch darunter klappten auseinander und gaben Hansen den Blick auf das rote pulsierende Innere des Körpers frei. Auf das Ding , d as darin hockte.
    Hansen wollte schreien, ab er er konnte es nicht. Das Medi kament, das ihm der Arzt gespritzt hatte, entfaltete seine Wirkung immer rascher. Er war gelähmt, vollkommen hilf- und reglos, doch das Mittel war trotz allem nicht gnädig genug, ihn endlich das Bewußtsein verlieren zu lassen. Er schrie noch immer, aber jetzt war es ein lautloser Schrei, der nicht einmal seine Lippen zittern ließ. Wehrlos mußte er mit ansehen, wie Artner das Skalpell weiter bewegte und eine präzise gerade Linie über seine Brust zog, seine Kehle vertikal spaltete und dann Kinn, Lippen und Nase teilte, ehe die Klinge über seinem Scheitel verschwand und einen Winkel annahm, in dem er sie nicht mehr fü hren konnte. Achtlos ließ er das Messer fallen, griff mit beiden Händen nach oben und riß die Kopfhaut auseinander.
    Sein Gesicht öffnete sich mit einem Geräusch wie ein fleischiger Reißverschluß. Armers Arme bewegten sich

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