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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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scharfer Knall, unmittelbar gefolgt vom Splittern von Glas und etwas, das sich wie ein ferner Schrei anhörte. Mogrod fuhr so erschrocken zusammen, daß er um ein Haar die Schale mit Entwicklerflüssigkeit vom Tisch gerissen hätte, drehte sich h erum und trat zur Tür. Im allerletzten Moment fiel ihm ein, daß einige Bilder zwar belichtet, aber noch nicht entwickelt waren. Hastig drehte er sich noch einmal herum, legte die entsprechenden Blätter in eine lichtundurchlässige Schachtel und trat ein zweites Mal zur Tür. Der Knall und das Splittern hatten sich nicht wiederholt, aber er glaubte noch immer, so etwas wie einen Schrei zu hören.
    Sein Blick huschte aufmerksam durch das Wohnzimmer, als er die Dunkelkammer verließ. Das Geräusch hatte sich angehört, als wäre es unmittelbar hinter der Tür erklungen, aber da mußte er sich wohl getäuscht haben. Alles hier sah genauso aus wie vor einer halben Stunde, als er dagesessen und darauf gewartet hatte, daß die Zeit verging. Was hätte es auch sein sollen? Er lebte allein hier, er hatte keine Haustiere, und an Poltergeister und ähnliches Zeug glaubte er nicht. Also war draußen auf der Straße etwas passiert.
    Hastig trat er ans Fenster und sah auf die Straße hinab. Ja, irgend etwas... war dort unten. Er konnte im ersten Moment nicht genau sagen, was, aber da war eine Verän derung. Zu wenige Menschen, und so gut wie kein Verkehr. Und er konnte jetzt ganz deutlich hören, daß irgendwo jemand schrie. Dann sah er einen Mann, der mit weit ausgreifenden Schritten aus dem gegenüberliegenden Haus gerannt kam und nach links hastete, und gleich darauf einen zweiten. Et was war passiert. Wahrscheinlich ein Unfall.
    Mogrods allererster Gedanke war, seine Kamera zu nehmen und hinunterzulaufen. Unfälle waren immer gut für ein paar Mark, und normalerweise hätte er eine solche Chance, wie sie sich jetzt bot, kaum ungenutzt verstreichen lassen. Der Geräuschkulisse nach mußte es sich um etwas wirklich Großes handeln, vielleicht eine entgleiste Straßenbahn oder einen umgestürzten Tanklaster, aus dem Salzsäure lief, die ein paar Passanten ansengte. Außerdem wäre er garantiert der erste Fotograf vor Ort. Er war auch schon auf halbem Wege zur Tür, aber dann blieb er wieder stehen.
    Plötzlich wurde ihm klar, wie närrisch er sich benahm. Wen interessierte ein umgestürzter Lastwagen oder eine entgleiste Tram? Das war Kleinkram. Er hatte es verdammt noch mal nicht mehr nötig, sich damit abzugeben. Gestern abend hätte er sich noch wie eine Hyäne darauf gestürzt, aber zwischen gestern abend und heute morgen lagen Welten. Gestern abend war er eine Hyäne gewesen, Jetzt war er ein Adler, der eine fette Beute erspäht hatte. Und er sollte allmählich damit anfangen, sich wie ein solcher zu benehmen.
    Mogrod warf den Fotoapparat, den er ganz automatisch ergriffen hatte, schwungvoll in einen Sessel, machte sich wieder auf den Weg zur Dunkelkammer und drehte sich auf halbem Wege wieder herum, um zum Telefon zu gehen. Die Bilder liefen ihm nicht davon, und er würde jetzt etwas tun, worauf er sich seit Jahren gefreut hatte.
    Der Lärm draußen auf der Straße hielt an, während er das Telefonbuch aufklappte und nach der Nummer suchte. Mogrod widerstand tapfer der Versuchung, aufzustehen und zum Fenster zu gehen, nahm sich aber nichtsdestotrotz vor, es nach seinem Telefonat nachzuholen. So, wie es sich anhörte, war dort unten wirklich etwas im Gange, das sich zu fotografieren lohnte.
    Er hatte die Nummer gefunden, nahm den Telefonhörer ab und drückte mit der anderen Hand die Löschtaste des Anrufbeantworters, ohne die Nachrichten abgehört zu haben. Dann tippte er mit langsamen, fast zeremoniellen Bewegungen die Nummer ein und lauschte auf das Freizeichen.
    Es klingelte dreimal, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein. »Guten Tag. Sie sind mit dem Anschluß 5630265 verbunden«, sagte eine volltönende Männerstimme. »Leider bin ich zur Zeit selbst nicht zu erreichen. Sie können aber, wenn Sie dies möchten, eine Nachricht beliebiger Länge hinterlassen. Ich rufe Sie dann so schnell wie möglich zurück. Bitte, sprechen Sie nach dem Signalton.«
    Mogrod zog eine Grimasse. Er haßte Anrufbeantworter. Trotzdem wartete er geduldig, bis das elektronische Piepsen erklungen war, dann sagte er: »Hallo, Doktorchen. Hier spricht Mogrod. Stefan Mogrod - Sie erinnern sich doch noch an mich? Keine Angst, ich will nichts von Ihnen, und Sie brauchen mich auch nicht

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