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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Blutschrift begann wieder zu verschwimmen und färbte sich immer dunkler, aber die Gestalt war noch immer sichtbar. Auf eine unheimliche Art und Weise schien sie plötzlich sogar Tiefe zu besitzen, als betrachte er nicht länger ein Foto, sondern eine Holographie.
    Oder etwas, das lebte.
    Dann begann sich die Flüssigkeit zu bewegen. Winzige Wellenkreise erschienen über dem Schatten, und plötzlich bewegte auch er sich und streckte die Hände nach Mogrod aus!
    Der Fotograf stolperte mit einem keuchenden Laut zurück, prallte gegen den Türrahmen und wäre um ein Haar gestürzt. Seine Hände fuhren mit scharrenden Lauten über die Tür und suchten die Klinke, aber sie hatten irgendwie nicht mehr die Kraft, sie zu drücken. Halb verrückt vor Panik und zugleich gelähmt vor Furcht stand er da und starrte die Fotoschale an. Er konnte das Bild jetzt nicht mehr sehen, aber hörte etwas, ein leises Plätschern, als bewege sich etwas in der Flüssigkeit. Etwas, das in der Schale gefangen war und herauswollte!
    Unmöglich, dachte Mogrod. Das ist voll-kom-men unmöglich! Das bilde ich mir nur ein! Ich bin hysterisch. Überarbeitet. Ich habe einen Drink zuviel gehabt. Schlechtes Gras geraucht. Das kann einfach nicht sein! SO ETWAS GIBT ES NICHT! Er fuhr alle Geschütze der Logik und des klaren Menschenverstandes gegen das Phänomen auf, und für einige Momente schien es tatsächlich, als hätte dieser Präventivschlag Wirkung gezeigt.
    Genau so lange, bis die Hand über dem Rand der Fotoschale erschien.
    Mogrod schrie, aber es war ein lautloser Schrei. Aus seiner Kehle kam nur ein Laut, und der Schrei gellte nur in seinem Kopf, während er aus hervorquellenden Augen die blutigen Fingerstümpfe anstarrte, die sich am Rand der Kunststoffschale festgeklammert hatten. Sie hatten keine Haut. Das Fleisch schien zu kochen, und hier und da schimmerte weißer, halb zersetzter Knochen durch die entsetzliche Masse. Die Hand sah aus, als wäre sie in Salpetersäure getaucht worden.
    Aber sie bewegte sich. Die Finger klammerten sich nur noch einen Moment am Rand der Schale fest, dann krochen sie wie eine fünfbeinige fleischige Spinne weiter, so daß das Gelenk und ein Teil eines schlanken Unterarmes erschienen, dann eine zweite Hand, ebenso grausam verstümmelt wie die erste, die sich auf die gleiche unheimliche Weise in die Höhe zu arbeiten begann.
    Und schließlich der Kopf.
    Mogrod schrie diesmal wirklich gellend auf, riß schützend beide Arme vor das Gesicht und taumelte rücklings vor der entsetzlichen Gestalt zurück, die sich mit langsamen, pumpenden Bewegungen aus der Fotoschale herausarbeitete, wie ein Kanalarbeiter, der sich aus einem zu engen Schacht her auszustemmen versucht. Es war die Gestalt aus dem Foto. Er hatte ihr Gesicht nicht erkannt, und das konnte er auch nicht, denn es war im Grunde kein Gesicht, sondern ein hautloser, brodelnder Schädel ohne Augen und Lippen, und auch jetzt war hinter ihr noch etwas Großes, Brodelndes, das noch immer nicht genau zu erkennen war.
    Mogrod prallte gegen ein Regal. Irgend etwas fiel zu Boden und zerbrach klirrend, und eine scharfkantige Scherbe grub sich durch sein Hemd hindurch tief in seinen Rücken, ohne daß er den Schmerz auch nur bewußt registriert hätte. Sein Herz jagte, als wolle es aus seiner Brust herausspringen. Ein winziger Teil von ihm versuchte noch immer, seine einzige Waffe, die Logik, einzusetzen, um ihn davon zu überzeugen, daß er all dies nicht wirklich erlebte. Er hatte eine Halluzination, nichts weiter. Aber selbst wenn das stimmte, nutzte dieses Wissen nichts, denn die Beruhigung, die es bringen sollte, wurde von der Wucht der Bilder, die er sah, einfach davongefegt. Mogrod sank wimmernd in die Knie und schlug die Arme über dem Kopf zusammen.
    Währenddessen hatte sich die Gestalt fast vollkommen aus der Schale herausgearbeitet, und während sie es tat, veränderte sie sich weiter. Das brodelnde Fleisch hörte auf zu kochen und glättete sich, hier und da erschienen kleine, rosige Hautfetzen, und das Gesicht hatte plötzlich Augen, die ihn aus viel zu großen, liderlosen Höhlen anstarrten. Lippen undweitere Haut gesellten sich hinzu, und auch der verkohlte Stoff des schwarzen Kleides, in das die Gestalt gehüllt war, entwickelte sich weiter. Dann, als allerletztes, wurde auch das wogende Etwas hinter ihr materiell, und Mogrod erkannte, daß es ein Paar gewaltiger schwarzer Flügel war.
    Und endlich wußte er, wem er gegenüberstand.
    Er war viel

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