Azrael
den Schaden, den es verursacht hatte: Verbrennungen dritten Grades an der Schulter, am Hals und an der rechten Seite seines Kinns, an der Brust, rechts am Bauch bis zur Hüfte. Die ganze rechte Hälfte seines Körpers war praktisch nicht mehr wiederzuerkennen.
Von Natur aus widerstanden Vampire der Heilung von Brandwunden. Deshalb waren sie schwerer zu beseitigen als Schwertstiche. In diesem Moment war Az unendlich dankbar für die Hilfe der beiden Sternenengel. Allein würde Michael die schwierige Aufgabe wohl kaum bewältigen.
Als die vereinten Heilkräfte Azraels Brust erhitzten, senkte er die Lider und entfernte sich mental von den brennenden Qualen. Vor seinem geistigen Auge sah er Sophie, ihr goldblondes Haar, die goldbraunen Augen, ihr bezauberndes Lächeln. Und er hörte ihre sanfte, süße Stimme, ihr melodisches Lachen – auch den Donner, den ihr Zorn und ihr unbeugsamer Kampfgeist heraufbeschwören konnten. Und er erinnerte sich, wie wunderbar er sie dafür »bestraft« hatte.
»Geschafft«, erklang eine müde Stimme an seiner Seite.
Azrael öffnete die Augen, die Schmerzen waren verschwunden. Unter seiner zerfetzten, verkohlten Kleidung sah er glatte, makellose Haut, kein Gift brannte in seinen Adern. Er setzte sich auf, und seine drei Retter wichen zurück. Etwas bleicher als sonst, strich Eleanore sich eine Locke aus ihrem schönen Gesicht. Noch zerzauster als normalerweise umrahmte Juliettes Haar die zarten, perfekten Züge. In diesem Moment glich sie einer Fee aus ihrem geliebten schottischen Hochland. Langsam stand Michael auf, seine große, kraftvolle Gestalt wirkte so kriegerisch wie eh und je. Aber Az spürte die Erschöpfung seines Bruders, sah die Schatten in den Augen, die Wolken an einem blauen Himmel glichen.
»Danke.« Auch Azrael stand auf, denn er durfte keine Zeit verschwenden, und drückte die Hände der Sternenengel. Dann ging er zu den längeren Schatten im Foyer.
»Wenn du Abraxos bekämpfst, komme ich verdammt noch mal mit«, sagte Gabriel.
Az warf einen Blick über seine Schulter. Nicht nur Gabe folgte ihm – Michael, Uriel und Max würden ihn ebenfalls begleiten. Ellie und Jules schauten sich unsicher an. Offenbar wollten sie sich anschließen, wussten aber nicht, ob sie den Männern helfen konnten. Und natürlich sorgten sie sich um ihre Ehemänner.
Als Azrael sich umdrehte und alle der Reihe nach anschaute, blieben sie stehen, fühlten seine Macht wie eine Warnung. Sie würden es mit Kräften aufnehmen, die sie nicht verstanden. »Phantome, Gespenster, Magie-Egel«, erklärte Az leise. »Und das ist noch nicht alles. Dieser Gregori verfügt über eine ganz gewaltige Macht. Bisher ist mir nur ein Mann begegnet, der die Phantome herumkommandieren kann.«
»Samael«, sagte Max.
Azrael nickte.
»Glaubst du, er mischt da mit?«, fragte der Hüter.
Daran zweifelte Az. Obwohl er den Mann in Weiß nicht persönlich kannte – nach allem, was Sophie erzählt hatte, musste Gregori das genaue Gegenteil von Sam sein. Wie die zwei Enden einer Batterie. Mit Sicherheit aber wusste er eins: Die Zeit drängte. Wenn er noch länger wartete, würden die Schatten Abraxos’ Spuren auslöschen. »Das kann ich nicht sagen.«
»Moment mal«, warf Michael ein. »Abraxos hat Sophie während des Angriffs der Phantome entführt. Also muss Gregori mit ihm zusammenarbeiten.«
Eine naheliegende Schlussfolgerung. Aber da Azrael nichts Genaues wusste, schwieg er.
»Bald geht die Sonne auf«, betonte Max. »Auch dort, wo Abraxos und Gregori sich aufhalten.«
Ein Grund mehr, keine Zeit zu vergeuden, dachte Az.
»Okay, wir sind gewarnt«, sagte Gabe. »Brechen wir auf.«
Wie schwierig es sein würde, sie alle durch die Schatten zu fuhren. Aber es gab keine andere Möglichkeit, da er das Ziel nicht kannte und auch nicht wusste, ob es dort Türen gab. »Ihr zwei bleibt bitte hier«, wandte er sich an Eleanore und Juliette. In letzter Zeit schien es bei allen Kämpfen um Sternenengel zu gehen, und er wollte nicht noch zwei Frauen schützen müssen.
Klugerweise nickten sie.
»Folgt mir«, wies er seine Brüder und Max an, drehte sich zu den Schatten um und hob die Hand. Konzentriert versuchte er, eine Passage zu erzeugen, die allen Platz bieten würde, damit sie die Reise gemeinsam unternehmen konnten und sich nicht trennen mussten. Das kostete ihn große Kraft, und er vergeudete nur ungern Energien, die er später brauchen würde. Aber wenn er das nicht riskierte, würde er dem Feind allein
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