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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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Calliope zerstört hatte – einem Lastwagen. Zumindest glaubte sie das. Danach war alles noch unschärfer geworden, als hätte ein Schleier darübergelegen wie der Nebel, der ihre Vergangenheit verbarg.
    Trotzdem war ein wichtiger Gedanke in ihr Bewusstsein gedrungen: verletzte Menschen, die geheilt werden mussten.
    Geheilt. Das hatte sie erkannt. Sie brauchten keine Ärzte, keinen Krankenwagen, keine Klinik. Nur Heilung. Und am erstaunlichsten: sie hatte zweifelsfrei gewusst, sie könnte die Verletzten heilen. Mit ihren Händen.
    Nun erinnerte sie sich, dass sie versucht hatte, dem versunkenen Ding hinterher ins Wasser zu springen. Doch sie war zurückgehalten worden. Von etwas Festem und zugleich Substanzlosem. Stark, aber nicht greifbar. Sie spürte eine Strömung, die sie mit sich zog, gegen die sie nicht ankämpfen konnte. Denn ihr Körper war zu schwach, und ihr Gehirn verstand nichts.
    Ihre Hände fühlten sich warm an, ihr Herz hämmerte. So verzweifelt wollte sie zu den Verletzten gelangen. Dafür hätte sie alles gegeben. Aber sie fand die armen Menschen nicht, konnte sie nicht berühren und kaum noch etwas sehen.
    Und schließlich war sie in schwarzes Nichts gesunken und hatte gewusst, sie würde die Hoffnung, irgendwem zu helfen, endgültig aufgeben müssen.
    Jetzt wurden ihre Gedanken klarer, begleitet von einem beklemmenden Frösteln. Sie fühlte sich krank und unbehaglich in dieser fremden Umgebung. Und woran sie sich erinnerte, ergab keinen Sinn.
    Entweder wurde sie verrückt, oder sie hatte einen furchtbaren Unfall beobachtet. Und Azrael hatte sie in die Arme genommen, um mit ihr himmelwärts zu fliegen. Sie hatte gespürt, wie die Deckplanken unter ihren Füßen verschwunden waren. In ihrem Haar hatte sich der Wind anders angefühlt, die Luft hatte einen Kokon um ihren Körper gebildet und ihr Gewicht getragen. Sie war geflogen. Unmöglich, aber eine ebenso beharrliche Erinnerung wie alles andere in dieser Nacht.
    Az hatte erklärt, sie sei eingeschlafen. Wenn das stimmte, musste sie die unfassbaren Ereignisse geträumt haben. Doch sie wusste in der Tiefe ihres Herzens, wo sie die wirklich wichtigen Dinge erkannte, dass es kein Traum gewesen war. Jenes Riesending hatte das Boot tatsächlich zertrümmert, etwas Schreckliches war geschehen, schwer verletzte Menschen warteten auf Hilfe.
    Und sie würde ihren ganzen geringfügigen Besitz darauf wetten, dass Azrael mit ihr durch die Luft geflogen war.
    Jetzt saß der Erzengel ungewöhnlich schweigsam neben ihr und starrte sie mit rätselhaften Augen an. Sie hatte keine Ahnung, woran er denken mochte. »Was ist passiert, Az? Bitte, sag mir die Wahrheit. Was geht da vor? Und …« Sie unterbrach sich, ihr Blick schweifte wieder umher. »Wo sind wir?«
    Erst nach einer qualvoll langen Pause begann er zu sprechen. In seinen Augen flackerte der Fackelschein, vielleicht auch die Reflexion eines inneren Feuers. Schließlich seufzte er tief auf. »Glaub mir, Sophie, auf diese Weise wollte ich es dir nicht erzählen und dich einfach nur schützen.« Er stand auf und ging um das Bett herum zum Kamin, über dem ein großer Spiegel in einem vergoldeten Rahmen hing.
    Obwohl sich ihre Gedanken überschlugen, konnte sie nicht anders – sie musste seinen wohlproportionierten Körper bewundern, die breiten Schultern, die schmale Taille. Unter den hochgekrempelten Hemdsärmeln durchzogen Adern die muskulösen Unterarme.
    Als er sich auf das steinerne Kaminsims stützte, sah sie sein schönes Gesicht im Spiegel. Dann schloss er die Augen, senkte den Kopf, das seidige schwarze Haar fiel ihm ins Gesicht. »Offenbar wirst du dir deiner Macht bewusst, Soph. Und ich hatte gehofft, ich könnte es dir schonend beibringen.«
    Macht? Plötzlich spürte sie ein seltsames Prickeln in ihren Fingern und Zehen, ihr Herz raste. Ihr Körper und ihr Gehirn schienen sich auf etwas Ungeheuerliches vorzubereiten.
    Azrael richtete sich auf, hob die Lider, und sie rang nach Luft. Im Spiegel glühten seine Augen. »Was noch offensichtlicher ist«, fuhr er fort, »da draußen ist ein Feind am Werk. Und ich habe keine Ahnung, wer er ist – oder warum er sich auf dich zu konzentrieren scheint.«
    Schweigend, die Augen weit geöffnet, beobachtete sie, wie er sich vom Spiegel abwandte und sie mit der ganzen Kraft seines brennenden Blicks fesselte.
    »Du bist ein Sternenengel, Sophie Bryce.« Langsam ging er zu ihr. »Vor zweitausend Jahren wurdest du von einem Gott erschaffen, der weder mich noch

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