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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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es vorerst keine Worte gab.
    Azrael erstarrte. In seinen Augen schimmerte etwas Dunkles, von den Höhlenwänden hallten Donnerschläge wider, diesmal lauter. Seine schönen Züge wurden zu einer unergründlichen, harten, kalten Maske.
    »Also weißt du alles über meine Vergangenheit? Über meine Pflegeväter?« In Sophies Stimme schwang eine eisige Anklage mit. »Und du fandest meine Schuldgefühle schrecklich?«
    Der Erzengel schwieg.
    »Azrael!« Von übermächtigem Zorn erfasst, knirschte sie mit den Zähnen. »Kannst du meine Gedanken lesen?«

17
    Welch gute Frage … Sophie war eine sehr intelligente junge Frau. Und Az ein kompletter Idiot. Unglaublich, was ihm da herausgerutscht war! Niemals machte er Fehler, niemals einen falschen Schritt. Seine Aktionen hatte er stets sorgsam geplant.
    So war es immer gewesen. Manchmal ärgerten sich seine Brüder, weil sie spontan und unbesonnen gehandelt hatten und dafür büßen mussten. Das war ihm nie passiert, und deshalb war er immer auch ein Außenseiter gewesen. Ja, es war eine zweischneidige Angelegenheit, denn es machte sein Wort Gold wert, seine Vertrauenswürdigkeit absolut, doch es führte auch zu seiner Einsamkeit. Einem Mann, der keine Schwäche besaß, konnte niemand nahestehen. Nicht einmal seine Brüder.
    Aber Sophie brachte ihn ganz durcheinander und seine schlimmsten Wesenszüge ans Licht. Plötzlich benahm er sich unüberlegt, impulsiv, nachlässig. Wie ein Mensch.
    Und nun hatte er ein Thema angeschnitten, das eigentlich hatte unberührt bleiben sollen. Es wirkte sich so ungünstig auf seine Beziehung zu Sophie aus, dass er es in den hintersten Winkel seines Bewusstseins geschoben und entschlossen ignoriert hatte. Wann er es ansprechen würde, hatte er nicht gewusst. Vielleicht hatte er halb gehofft, er würde, was das betraf, niemals ehrlich sein müssen.
    Denn obwohl es ihr gefiel, von einem großen bösen Vampir zu träumen, würde sie, wenn die Wahrheit ans Licht kam, einen Mann mit echten Fangzähnen abstoßend finden und umso widerlicher, weil er ihre Gedanken lesen konnte.
    »Ich habe dich was gefragt!«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zitterte am ganzen Körper. Zweifellos war sie zu vielen Neuigkeiten gleichzeitig ausgesetzt, und Az wusste nicht, ob sie schon verkraftete, was er ihr bisher erklärt hatte. Ganz zu schweigen von den Dingen, die er ihr noch erzählen würde.
    »Ja, ich kann deine Gedanken lesen«, gab er schließlich zu und spürte seine heftigen Herzschläge. Wie würde sie reagieren? Noch nie in seinem langen Leben hatte er eine so beklemmende Angst empfunden. »Jetzt tu ich’s nicht.«
    »Aber du hast esgetan.« Ihre schönen goldbraunen Augen verengten sich voller Verachtung. »Nur jetzt nicht. « Frostig fügte sie hinzu: »Ich wusste nicht, dass Erzengel Gedanken lesen können.«
    Nur zwei Schritte standen sie voneinander entfernt. Weit genug, ihrem Zorn Raum zu geben. Azrael wollte nach ihr greifen, doch er wagte es nicht. »Das können sie auch nicht.« Würde er jetzt seine Grabrede halten?
    In den Strand über der Höhle schlug ein Blitz ein und erschütterte die steinernen Wände. Das ist kein normales Gewitter, dachte er. Viel zu schnell war es heraufgezogen, und seine wilde Gewalt spiegelte die Wut des Sternenengels wider.
    Sophies Macht begann zu wirken. Vorhin hatte sie gefragt, ob sie die verletzten Unfallopfer geheilt hätten. »Geheilt« hatte sie gesagt. Nicht »gerettet«.
    Und der Gewittersturm war ihr Werk. So wie Juliettes und Eleanores Emotionen beeinflusste auch Sophies Zorn die Atmosphäre. Nun zeigte sich ihr wahres Wesen, und das erklärte sehr viel – zum Beispiel, warum Azraels Macht über sie nachließ. Hätte er sie unter Kontrolle gehabt, würde sie sich nicht an die Katastrophe auf der Brücke und den Flug erinnern. Sophie, der Sternenengel, war viel stärker als Sophie, die Berkeley-Studentin.
    »Was meinst du?«, fauchte sie. »Warum können deine Brüder keine Gedanken lesen?«
    »Weil es kein für Erzengel typisches Talent ist. Nur ich besitze die Gabe der Telepathie.«
    Wieso bist du was Besonderes, fragten ihre Augen. Um das zu wissen, musste er nicht in ihr Gehirn eindringen.
    Aber zu seiner Überraschung sprach sie die Frage nicht aus. Vorsichtig trat sie noch einen Schritt zurück, ihre Miene änderte sich ein wenig. Der Zorn, den ihr schönes Gesicht ausdrückte, wurde von wachsender Angst verdrängt. Und von einer Ahnung. Ihr Blick schweifte von seinen

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