Azrael
zu ihr, und das Dunkel folgte ihm, hüllte ihn ein wie eine Rüstung für einen erbitterten Kampf. »Davonlaufen und dich verstecken?«
»Wenn ich’s könnte, würde ich’s tun«, zischte sie.
»Aber du kannst es nicht. Und du weißt, wie sinnlos es wäre, vor mir wegzulaufen. Niemand entkommt mir, Sophie. Schon viele haben es versucht.« Er schüttelte den Kopf. »Vergeblich.«
»Damit würde nur ein grausamer, herzloser Bastard prahlen. Findest du’s komisch, dass jeder irgendwann stirbt? Lachst du darüber?«
Nun stand er dicht vor ihr. »Niemand lacht, Sophie.«
Az beobachtete, wie sie fast hilflos seine prägnanten Züge betrachtete, seinen Mund. Triumphierend wollte er diesen Blick festhalten. Aber sie kehrte ihm den Rücken. »Geh weg!«, verlangte sie mit gepresster Stimme. »Verschwinde!«
Als er hinter sie trat, überschattete er sie mit seinem Dunkel und sah sie unter dem Gewicht seiner Nähe zittern. »Das werde ich nicht tun.«
Er hörte, wie sich ihre Herzschläge beim Klang seiner Stimme beschleunigten, ihr Atem sich veränderte.
»Dreh dich um und schau mich an, Sophie.«
»Nein«, erwiderte sie und schob ihre Fingerspitzen in die Ärmel ihres Pullovers.
Wäre ihre Weigerung reinem Starrsinn entsprungen, hätte er vielleicht gelächelt. Aber in ihrer Stimme schwang immer noch heißer Zorn mit, der ihre Adern erhitzte und plötzlich süße Magie versprach. Azraels Fänge wuchsen. Verzweifelt rang er um Selbstkontrolle. Er musste sich noch beherrschen.
»Bitte, lass mich allein, Az«, sagte sie leise. »Trotz allem, was du und deine Brüder und euer Hüter denken – jetzt steht mir die Wahl frei. Und ich habe mich entschieden.«
»Ach, Sonnenschein«, entgegnete er in hartem Ton. »Da irrst du dich.«
Sophie straffte die Schultern und erkannte, was die Veränderung seiner Stimme bedeutete. Instinktiv wappnete sie sich, um ihn abzuwehren.
Nicht schnell genug. Er umschlang ihren Hals, drehte sie um und drückte sie unsanft an seine Brust. Dann berührte er ihre rechte Hand mit dem goldenen Armband.
Funkelnd umschloss es ihr rechtes Handgelenk. Sie wand sich in seinem Griff. Aber er hielt sie eisern fest und presste sie noch fester an sich, und sie gab nach, weil sie fürchtete, er könnte sie erwürgen. Einige Sekunden lang umfing er sie noch, er konnte nicht anders, so gut fühlte sie sich an.
Während sie ihre Fingernägel erfolglos in seinen Arm grub, näherte er seine Lippen ihrem Ohr. »Wir müssen eine Zeit lang allein sein, Sophie …«, begann er und wollte weitersprechen. Doch da bemerkte er den ratternden Couchtisch an seiner Seite und beobachtete verblüfft, wie das zerkratzte Möbelstück emporflog und auf ihn zuraste.
Mit zusammengekniffenen Augen starrte er es an und verwandelte es in eine Masse aus schwarzen Federn, die langsam zu Boden sank.
Frustriert schrie Sophie in seinem Arm auf, gewaltiger Donner erschütterte das ganze Apartmentgebäude. Azraels Gedanken überschlugen sich. Wieso konnte sie immer noch Gegenstände beeinflussen, obwohl sie das Armband trug?
Plötzlich prallte die schwere Couch gegen seinen Rücken, so vehement, dass er den Griff um Sophie lockerte. Diese Gelegenheit nutzte sie, riss sich los und fuhr zu ihm herum. Verwundert sah er ihr boshaftes Lächeln, das ihn erschreckte und zugleich erregte. Dann zerrte sie blitzschnell das goldene Armband von ihrem Handgelenk.
27
Noch bevor Kevin die Augen öffnete, wusste er, dass etwas schiefgelaufen war. Auf seiner Brust schien etwas Schweres zu lasten. Ein Amboss, im Lauf des Tages hier deponiert? Aber der General setzte sich unbehindert von physischen Gewichten auf. Die Stirn gefurcht, spähte er ins Dunkel.
Mit einer knappen Geste ließ er die Deckenlampen angehen und dimmte das Licht. Ely, Mitchell und Luke lagen in seiner Nähe, jeder in einem anderen Teil der von Menschenhand gegrabenen Tunnel, tief unter der Erde entlang der Westküste. Scherzhaft nannte er das Labyrinth seinen »Bau«.
Er rief seine Erwählten mental herbei. Wenige Sekunden später hörte er Mitchells modische Schuhe auf dem kalten Steinboden dröhnen. Der Mann trat ins Licht des Hauptraums.
Kevin roch das Gas und den Qualm, als ein Feuerzeug aufflammte und Mitchell die Zigarette zwischen seinen Zähnen anzündete. Der adarianische Vampir starrte zu Boden, sog an dem Glimmstängel und blies eine Rauchwolke in die Luft. »Da stimmt was nicht.«
»Genau das spüre ich auch«, murmelte Luke und gesellte sich hinzu.
»Adam
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