Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
und geriet damit völlig außer Fassung.
Ich triumphierte.
Endlich hatte ich ihn da, wo ich ihn haben wollte. Er konnte mich vielleicht töten, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken. Aber ich hatte eine Waffe in seinem Herzen platzieren können, und das mit der Hilfe von Baltimore.
»Ich werde es dir zeigen«, sagte er plötzlich wieder ganz ruhig. »Ich werde dir zeigen, wonach du dich sehnst. Und glaube mir, damit verlierst du jeden Vorteil, den du dir jetzt noch ausrechnest.«
Er griff nach meiner Hand, unsere Tätowierungen flammten gleichzeitig auf und schienen pulsierend miteinander zu verschmelzen.
Bevor ich Schmerzen spüren konnte, verschwamm alles um mich herum, und ich war nicht mehr ich selbst.
»Selene! Ich muss mit dir sprechen!«
»Claude, bist du von Sinnen, um diese Tageszeit zu kommen? Wenn uns jemand sieht …«
»Genau darum geht es, Selene. Ich kann – wir können uns nicht mehr sehen.«
Verblüfft hielt ich inne, denn diese Sätze strömten auf mich ein, noch bevor sich die Nebelschleier, die sich über mich gelegt hatten, lichteten.
Ich befand mich in irgendeinem Haus in Azulamar, das erkannte ich an dem hellblauen Gestein, aus dem die Wände gemacht waren. Im Palast war ich nicht – denn durch eine Fensteröffnung konnte ich diesen erkennen.
Ansonsten war die Einrichtung prunkvoll und verziert; jemand Einflussreiches musste hier wohnen.
Dann sah ich sie.
Es waren zwei Marianer, ein Mann und eine Frau.
Die Frau war hochgewachsen und schlank und – überirdisch schön. Ein wenig ähnelte sie vielleicht Paradise, war aber sicherlich einige Jahre älter.
Ihr Haar war so hell, dass es beinahe weiß wirkte. Ein feiner, seidiger Goldschimmer glänzte auf den glatten, hüftlangen Strähnen. In ihrem exotischen Gesicht mit der karamellartigen Haut wurden die hohen Wangenknochen von den drei Kiemenlinien auf jeder Seite verführerisch schön betont. Atemlos betrachtete ich sie weiter.
Ihr Kleid war von einem hellen Grau, es umfloss sie spielerisch und leicht, und doch unterstrich es eine unabstreitbare, würdevolle Ader in ihrem ganzen Auftreten.
Sie hielt den Kopf erhoben, musterte den Mann, der vor ihr stand, mit sichtlicher Verwirrung. Ihre Augen – ihre Augen waren grün.
Der Mann bildete einen gewissen Kontrast zu ihr, denn sein Haar war pechschwarz, wenn man von den grauen Schläfen und den silbernen Strähnchen einmal absah. Dominante Augenbrauen verliehen seinem attraktiven Gesicht Konturen. Er sah besorgt aus – und auf seinem Gesicht bildete sich eine steile Falte. Ich kannte sie! Oh, woher nur?
Dann begriff ich.
Es war Rivers Großvater, der Vater von Baltimore.
»Was sagst du, Claude?«, sagte die Marianerin, die er eben mit Selene angesprochen hatte. Nun wirkte Claude ungeduldig.
»Du weiß genau, was ich gesagt habe, Selene. Wir können uns nicht mehr treffen. Meine Frau – Hippolyta hat alles herausgefunden. Sie verlangt, dass ich mich von dir trenne. Ich muss das tun, Selene, sonst stürze ich Azulamar ins Unglück.« Er seufzte schwer. »Hippolyta ist die Königin, und du weißt, wie beliebt sie ist. Ich kann keinen Bürgerkrieg riskieren, nur wegen …«
»Nur wegen was, Claude?«, fiel ihm Selene wutentbrannt ins Wort.
Sie hob ihre Hand gestikulierend an. Auf ihrer Handfläche leuchtete das tränenförmige Mal ebenso wie auf der von Claude.
Beide waren Wasserflüsterer.
Und in diesem Moment entzündeten sich Selenes grüne Augen und sahen damit genau so aus wie die von Alastair.
»Nur wegen einer Affäre?« Ihr Ton war aufbrausend und bissig, obwohl man ihr ansah, dass sie ansonsten kultiviert und elegant war. »Es tut mir wirklich außerordentlich leid, dir das sagen zu müssen, aber es ist zu spät! Wir haben einen Sohn, Claude! Du kannst uns nicht im Stich lassen!«
»Ich werde euch nicht im Stich lassen.«
»Dann erkennst du ihn also an?«
»Das kann ich nicht. Er wird von mir nie schlecht behandelt werden und er steht unter meinem Schutz, Selene, aber du kannst nicht von mir verlangen, dass ich jegliches Prestige aufgebe!«, verteidigte sich Claude.
»Ich hasse dich«, flüsterte Selene.
»Und ich liebe dich, Selene«, erwiderte Claude scheinbar ungerührt. »Ich begehre dich mehr als alles andere. Wäre ich nur ein Geringerer; es wäre alles viel einfacher. Aber du bist die Großmeisterin meiner Wasserflüsterer-Gilde und ich bin der König von Azulamar. Wir haben einen schwerwiegenden Fehler begangen, und wir dürfen – für
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