Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
dass er mich anstarrte, verzog er nur verächtlich die Lippen und drehte sich demonstrativ weg.
»Mach dir keine Gedanken. Sullivan ist meistens mies drauf.«
Anscheinend musste ich ziemlich besorgt gewirkt haben, dass Tyler sich zu so etwas hinreißen ließ.
Ich nickte ihm zu, um zu bestätigen, dass alles okay war, und dann – erlöste uns das Klingeln der Schulglocke. River sprang ruckartig auf und riss dabei mein Buch herunter, das auf den Boden fiel und mit den Seiten nach unten liegen blieb. Doch River machte keinerlei Anstalten, es aufzuheben oder sich auch nur zu entschuldigen, sondern schnalzte nur noch verächtlich mit der Zunge, bevor er schnell das Klassenzimmer verließ.
Ich atmete aus und stellte erst jetzt fest, dass ich wirklich sehr angespannt in seiner Gegenwart gewesen war.
Er hatte etwas Beunruhigendes an sich, etwas, das einem den Atem rauben und einen komplett verwirren konnte. Vielleicht war es seine rätselhafte Abneigung in diesen stahlblauen Augen …
Ich wusste es nicht. Und ich beschloss, mir nicht länger Sorgen zu machen.
Tyler stand vor mir – ich registrierte, dass er das Buch aufgehoben hatte und es mir nun hin hielt.
»Ich hasse diesen Typen«, kommentierte er Rivers Verhalten, und mir blieb nichts anderes übrig, als zu nicken.
Nachdenklich schob ich das Buch in meine Tasche, streifte mir den Riemen über die Schulter und ging dann neben Tyler zur Cafeteria.
»Und er ist wirklich
immer
so?«, erkundigte ich mich beiläufig.
Tyler nickte: »Immer. Also, sicher, er hat auch bessere Tage. Aber meistens ist er wirklich schlecht drauf. Besucht keinen einzigen extraschulischen Kurs, spielt in keinem Team mit – und hat, soweit ich weiß, auch keine Freunde.«
»Ein Außenseiter also«, bestätigte ich meine Vermutung von vorhin.
»Na ja, irgendwie schon, aber irgendwie auch nicht. Weißt du, die meisten Außenseiter hier schließen sich irgendwann mit wem anderes zusammen, damit sie nicht allein in der Cafeteria sitzen, aber River Sullivan ist sich anscheinend sogar dafür zu schade.« Tyler rümpfte die Nase, als er mir die Tür aufhielt und wir eintraten, »Siehst du? Dahinten sitzt er. Am letzten Tisch. Und es hat erst einmal jemand gewagt, sich zu ihm zu setzen.«
Mein Blick fand den jungen Mann. Kein Tablett stand vor ihm, und tatsächlich sah es ein bisschen so aus, als hätte er den Tisch absichtlich weiter weggeschoben.
Er hatte sich so weit auf seinem Stuhl zurückgelehnt, dass dieser bereits auf der Kippe stand. Es war schwierig, eine derartige Position lange zu halten, aber ihm gelang das mühelos – er zitterte nicht, nein, River wirkte vollkommen entspannt und gelassen.
Seine geschlossenen Augen unter dem wirren Haar verstärkten diesen Eindruck nur noch. Unter dem Nacken hielt er seine Hände verschränkt und streckte nun seinen Körper durch. Ohne es bemerkt zu haben, hatte ich ihn weiter angestarrt, während wir uns zu den anderen gesellten, die bereits auf uns warteten.
Und auch, als wir normal lachten, scherzten und begannen, für das Wochenende zu planen, warf ich ab und zu noch einen Blick zu River, der bewegungslos wie eine Statue in dieser Haltung verharrte.
»Du wirst am Freitag erst mal alleine fahren müssen«, teilte Eric mir mit. »Ich bin noch in einem Surfer-Laden in Los Angeles, aber ich komme auf jeden Fall nach.«
Tyler zeichnete mir einen Plan, wie ich mit dem Auto am besten zum Strand kam.
»Die Jacht meines Vaters, die ›Illusion‹, liegt dort übrigens auch. Was haltet ihr davon, dass wir einen kleinen Bootsausflug machen?« Er zwinkerte in die Runde.
Es erhob sich eindeutige Zustimmung, also wurde nur noch überlegt, wer was kaufen sollte (Fast Food und kleinere Snacks, und natürlich auch was zu trinken), dann steckte ich den Plan auch schon ein.
Aus dem weiteren Gespräch klinkte ich mich weitmöglichst aus. Mir kam es nämlich plötzlich so vor, als hätte ich River schon einmal irgendwo gesehen. Außerdem fiel mir jetzt die Harmonie seiner Haltung auf – für mich, eine Hobbyzeichnerin, wäre er nun ein perfektes Modell gewesen.
Ich hörte das Gelächter der Jungs in meinen Ohren.
»Sullivan hat ja anscheinend einen ganz schönen Eindruck auf mein kleines Schwesterlein gemacht«, neckte mich Eric.
»Unsinn.« Ich schüttelte ärgerlich den Kopf. »Ich habe nur überlegt, aus was für einer Familie er stammt.«
Barney hob die Schultern an: »Anscheinend ist er Halbwaise. Ist bei seinem Vater, Giles Sullivan,
Weitere Kostenlose Bücher