Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
milchkaffeebraunen Gesicht blicken und nie enthüllen, was er wirklich denkt, und wahrscheinlich auch an der merkwürdigen Narbe unterhalb seines linken Auges.
Gregory hatte uns allen erzählt, dass es eine Frage gäbe, die man Skelter nie stellen dürfe – die Frage nach der Herkunft dieser Narbe.
Für mich sah sie wie eine schwerwiegende Verbrennung oder Verbrühung aus, aber genau konnte ich es nicht sagen. Jedenfalls war es mir schleierhaft, wie man sich eine derartige Verletzung im Alltag zuziehen konnte.
Obwohl, der Begriff Alltag bedurfte bei Skelter wohl einer anderen Definition als bei anderen Menschen.
Er hielt sich beinahe jeden Tag in unserem Haus auf und war auch bei unseren Mahlzeiten zugegen, doch er plauderte nie. An einem besonders heißen Sommertag hatte ich ihn ein einziges Mal mit offenem Hemd gesehen, als er mit Gregory im Garten war – und seine Brust war übersäht mit Narben und gezeichnet von verheilten Verletzungen. Eine abheilende Naht zog sich direkt über seine linke Brust. Eric kommentierte damals verschwörerisch, dass ihm wahrscheinlich das Herz entnommen worden sei.
Das würde wahrscheinlich sogar passen.
Aber Skelter war kerngesund und strotzte vor Kraft wie ein Löwe, und das trotz der vielen Verletzungen. Die Leute hier in der Gegend mochten ihn nicht besonders, und so hatte ich tatsächlich schon die Nachbarn reden hören, was für furchtbaren Umgang Gregory Aames hatte. Tatsache war jedoch, dass Skelter Gregorys Vertrauter, Freund und Bodyguard in einem war, sein verlängerter Arm auf den Straßen. Ein Mann fürs Grobe.
Ich kam also ins Wohnzimmer, um meine Tasche abzustellen.
»Hat Meyers immer noch nicht gezahlt?«, fragte Gregory gerade.
»Nein«, lautete die knappe Antwort von Skelter.
»Wir sollten daran etwas ändern«, lachte Gregory trocken.
»Willst du, dass ich mich darum kümmere?«
»Nein. Oder – ja. Tu das. Aber sei nett.« In Gregorys Stimme lag Belustigung.
»Bin ich das nicht immer?«, fragte Skelter grinsend. Er hatte bereits aufgesehen, bevor ich den Raum betreten hatte, jedenfalls erschien es mir so.
Skelter nickte mir zu. »Ashlyn.«
»Hallo Skelter.«
Mittlerweile hielt sich meine Angst vor ihm Gott sei Dank in Grenzen, und ich war es gewöhnt, dass er sich ständig bei uns zu Hause aufhielt.
»Bleibst du heute zum Essen?«, erkundigte ich mich.
»Wir essen auswärts«, antwortete Gregory an seiner statt. »Deine Mutter kommt auch mit.«
»Eric ist mit ein paar Freunden verabredet«, fügte ich hinzu. Was im Klartext hieß, dass ich wieder allein essen würde. Mir machte das nichts aus. Ich beschloss, mir ein paar Burritos in der Mikrowelle heiß zu machen.
»Ich geh mal nach oben«, verkündete ich mit der ehrlichen Absicht, Hausaufgaben zu machen.
Doch ich brachte kein Wort aufs Papier.
Seufzend ließ ich von Mathe, Englisch und den anderen Sachen ab und setzte mich stattdessen an den Computer.
Ich lächelte, als ich sah, dass mir Mandy eine Kettenmail zugeschickt hatte. Anscheinend war ich bereits in zwei Tagen ziemlich gut adoptiert worden.
Tatsächlich telefonierte ich später noch mit Bellatrix, und wir machten aus, dass wir uns am nächsten Tag schon einmal im Diner’s treffen wollten, zum einen, weil sie mir einige Geschäfte zeigen wollte, und zum anderen, weil sie ein »ernstes Gespräch« mit mir führen wollte.
Worum es sich dabei handelte, konnte ich nur spekulieren – aber ich war mir ziemlich sicher, dass es um Eric ging. Mir war aufgefallen, dass Bellatrix zu allem und jedem sehr, sehr kratzbürstig sein konnte, und Eric schloss sie dabei nicht aus. Aber wenn er einen Scherz auf ihre Kosten machte, brummte sie nur etwas Unverständliches, anstatt zu kontern. Ich vermutete, dass sie sich in ihn verliebt hatte und nun wissen wollte, ob sie sich Chancen ausrechnen konnte.
Ich war nicht sehr begeistert von dem Gedanken, die beiden verkuppeln zu müssen, besonders, weil ich mir sicher war, dass Scott auch Interesse an Bellatrix hatte, aber diese Tatsache musste ich wohl ignorieren.
Der nächste Tag verlief vollkommen unspektakulär, zumindest der Vormittag. Ich hatte Glück, denn ich hatte nur einen einzigen Kurs mit River zusammen, und auch bei diesem mussten wir mit anderen Partnern zusammenarbeiten.
Er ignorierte mich vollkommen, was wahrscheinlich das Beste war. An seiner Haltung konnte ich so oder so erkennen, dass er schlechte Laune hatte und dass ein Streit wohl eher ungünstig für mich sein
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