Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
nicht – irgendwie unterschied ich mich immer von ihnen. Sicher, sie waren meine Familie, und ich liebte sie. Aber ich war anders. Visionär, so könnte man es sagen. Manche hielten mich auch nur für einen draufgängerischen Spinner.
Jedenfalls lernte ich in einem der wenigen Clubs, die zu besuchen ich mir ab und zu leisten konnte, einen jungen Mann namens Denzel kennen. Er war mir ähnlich, auch wenn er viel bodenständiger war als ich. Wir wurden beste Freunde und beschlossen, entweder reich zu werden oder bei dem Versuch zu sterben.
Zusammen gingen wir nach Afrika, wo wir den Boss einer Diamantenmine erpressen wollten. Vorher hatte ich nur kleinere Straftaten begangen … Kleinere Sachen, die in der dunkleren Gegend von Oceanside niemanden aufgeregt hatten – mal eine leichte Körperverletzung, mal Schutzgelderpressung. Nun, Denzel behauptete, er würde genau wissen, was er tut, und ich glaubte ihm. Irgendwie sah ich ja zu ihm auf. Doch alles ging schief, und der Diamantenboss sorgte dafür, dass wir in ein furchtbares afrikanisches Gefängnis geworfen wurden. Die Diamanten hatte er aber vorher gezahlt, und Denzel und ich kannten beide das Versteck. Wir hatten uns geschworen, nicht zu sagen, wo die Beute war, wenn wir auffliegen würden – aber dann kam plötzlich ein Mann namens Gregory Aames. Es stellte sich heraus, dass Denzel ihm vor ewiger Zeit mal das Leben gerettet hatte – mehr oder minder freiwillig. Gregory glaubte wohl, in Denzels Schuld zu stehen, deswegen überredete er ihn, das Versteck der Beute preiszugeben und holte ihn dafür aus dem Gefängnis.
Bevor er das allerdings tat, hatten Denzel und ich im Gefängnis einen furchtbaren Streit: denn auch wenn Denzel das Versteck verriet und aus dem Knast kam, mich schloss dieser Pakt nicht ein. Auf mich wartete eine lebenslange Haftstrafe. Wir schlugen uns, und ich glaube, damals wollte ich ihn umbringen, aber er war mir überlegen. Er verletzte mich mit einer Waffe, die er von Gregory erhalten hatte …« Ribbon fuhr sich gedankenverloren über die Narbe, die über sein Augenlid bis zu seinem Kinn ging, »… und überließ mich meinem Schicksal.
Aus Denzel wurde Skelter, der ewige Bodyguard Gregorys.
Mich quälten die Gedanken, dass er sich nun ein schönes Leben als Mitarbeiter von Gregory machen würde, aber es gab noch ein wenig Hoffnung: Ich hatte im Gefühl gehabt, dass etwas schiefgehen würde, also hatte ich die Diamantenbeute aufgeteilt. Ich ermordete meinen Wachposten mit einer Schleife, die ich ums Handgelenk trug, und entkam aus dem Gefängnis.«
Seine Worte lösten in mir einen furchtbaren Schauer aus.
Ribbon hieß tatsächlich Ribbon, aber dieser Name war von der Bedeutung also genauso furchtbar wie Rip-Bone.
»Ich fand den Teil der Diamanten und setzte mich damit erst nach Kuba ab, dann kehrte ich nach Hause zurück, doch meine Mutter war mittlerweile ebenfalls gestorben, genau wie eine meiner Schwestern. Zwei andere meiner Geschwister waren inhaftiert, ein Bruder schlichtweg unauffindbar. Mit meinem verbleibenden Bruder ging ich nach Santa Monica, wo ich das Elysium eröffnete, bevor ich ihm ein Studium in England finanzierte.
Dass Skelter nur wenige Meilen von mir entfernt lebte, wusste ich nicht. Bis heute …«, Ribbon schüttelte den Kopf, als würde ihm die Vergangenheit gerade bildlich vor den Augen stehen. Ich fröstelte. In genau dieser Sekunde befand ich mich mit einem Verbrecher, einem Mörder, in einem Raum, und das Wissen, dass ich eigentlich Angst hätte haben müssen, ließ eine merkwürdige Kälte meine Glieder heraufkriechen. Denn wirklich Angst hatte ich nicht vor ihm. Er war der Gegenspieler Skelters – und auch wenn ich seine Handlungsweise keineswegs gutheißen oder befürworten konnte, so konnte ich sie doch mit einer gewissen Distanz nachvollziehen.
Ribbon vergrub das schöne Gesicht in seinen Händen, aber nicht, um sich vor meinen Blicken zu schützen, sondern um mit den Fingerspitzen über die lange Narbe zu streichen. Er schwieg immer noch, dann schlug er die Augen mit glühendem Blick wieder auf.
»Ich werde dir helfen. Dir und River«, sagte er und wandte sich endlich wieder mir zu, »zumal Skelter also meine Autoreifen kaputt gemacht hat …«
Er seufzte schwer, kratzte sich an der Augenbraue, und ich wusste, dass er begann, nachzudenken: »Wenn man in diesem Labor jemanden gefangen halten kann, ist es bestimmt gut gesichert. Und ich kenne mich da drin nicht aus. Wir werden also gefasst
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