Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
schon einmal mit einem Glas Wasser geschafft hatte – ich hob meine Hände an, konzentrierte mich auf die Wassertropfen, die sprühend aus dem Duschkopf schossen, und plötzlich verlangsamten sie ihren Weg, bis sie schließlich meinen Fingern folgten und sich vor mir zu einem neuen Gebilde zusammensetzten.
Atemlos erkannte ich, dass eine Art Spiegel aus Wasser vor mir und von mir erschaffen wurde. Die Oberfläche erschien lebendig und stets in Bewegung, glitzernd, aber nicht transparent.
»Ashlyn …«
Dieses Mal konnte ich die Stimme orten – sie schien direkt aus dem magischen Wasserspiegel zu kommen. Mit einer streichenden Handbewegung vergrößerte ich diesen, und schließlich erkannte ich eine schemenhafte, grauschattige Gestalt auf der anderen Seite des Spiegels, während mein Gesicht nicht mehr darin zu sehen war. Die Gestalt kam näher, immer näher und der Spiegel wurde größer, bis er vor mir wie eine Pforte bis zum Boden ragte, gespeist von dem immerwährenden Strahl der Dusche.
»Komm zu mir, Ashlyn. Ashlyn!«
Erschüttert wich ich erst zurück, als sich aus dem Wasser Finger formten, und schließlich eine ganze, große Hand.
»Wer seid Ihr?«, murmelte ich.
Die Hand öffnete sich einladend.
Sollte ich es tun? Ich konnte nicht. Ich wusste doch gar nicht, was mich auf der anderen Seite erwartete …
Zitternd und bebend legte ich meine Hand in die aus Wasser, die kühlen, nassen Finger schlossen sich um die meinen und zogen mich in den Spiegel aus Wasser.
Die Luft wurde aus meinen Lungen gesogen, doch ich lebte und es ging mir gut.
Vor mir stand ein Mann, hochgewachsen und mit dunklem Haar, das ihm in wirren Strähnen in seine leuchtend blauen Augen hing. Die Iris war um die Pupille herum eine Spur dunkler. »Ich kenne Euch«, sagte ich fest. »Ich kenne Eure Augen. Es sind die Augen des Mannes, den ich liebe.«
»Ich bin Baltimore«,
erwiderte der Fremde.
»Rivers Vater.« Meiner Kehle entrang sich ein Flüstern, und Baltimore nickte.
»Warum sprecht Ihr mit mir? Ihr seid tot!«
»Ich bin tot, das ist richtig. Aber ich lebe im Wasser und in River weiter, mit jeder Ebbe, jeder Flut, mit jeder Welle und jeder Gischt, die die Brandung aufwirft, lebe ich weiter. Ich bin hier, um dir zu danken.«
»Wofür?«, flüsterte ich atemlos.
»Für deine Liebe zu River. Für deinen Mut. Dafür, dass du ihn retten willst … Du bist noch so jung, Ashlyn. Viel jünger als Monique und ich damals waren, als wir es wagten, uns gegen Bestimmung und Schicksal aufzulehnen. Aber ich sehe in dir eine Seele von uralter Macht. Noch bevor Worte niedergeschrieben wurden, um zu erklären, was für eine Art von Spiritualität in dir fließt, wurde deine Seele geschaffen.«
»Ich verstehe das alles nicht!«, rief ich verzweifelt. »Wovon sprecht Ihr, Baltimore? Was soll das alles heißen?«
»Wie könntest du auch verstehen? Du bist ein Mensch und doch viel mehr. Du wurdest geboren, um Großes zu tun …
Schaumgeborene, den Wellen entrissen
Tochter der Erde, vom Höllenfeuer gezeugt
Das nächtliche Meer wird sich erheben
Ein Name wie Donner, gesprochen von dem Fürsten der Versunkenen
Du wirst in ewiger Liebe einen
Was Hass einst trennte
Zuerst gefesselt von der ewigen Mutter Erde
Befreit von ihren stolzen Söhnen
Der Pakt wird aufleben und sterben zugleich
Von Gleich zu Gleich
Bis in den Tod
»Was meint Ihr?«, schrie ich.
Während Baltimore seine Stimme zu dem merkwürdigen Gedicht, das wie eine Ode an eine Göttliche klang, erhoben hatte, brauste um mich herum ein Sturm los, ein Sturm aus Regen und Meer. Ich stolperte rückwärts, und dann war ich wieder zurück in der Dusche, als wäre nichts gewesen, doch ich kauerte noch immer auf dem Boden.
Mein Puls raste, mein Atem ging nur noch rasselnd. Was immer auch gerade geschehen war – ich konnte es nicht in geordnete Gedanken packen. Baltimore … Rivers Vater oder seine Seele hatte mich besucht. Und dann dieses merkwürdige, halb gesungene Lied. Wie eine Prophezeiung …
Schaumgeborene, den Wellen entrissen …
Ein Schauer rann über meinen Rücken, und ich beeilte mich auf die Beine zu kommen. Wahrscheinlich war es das Beste, nicht darüber nachzudenken. Es gab viel Wichtigeres im Augenblick!
Die nächsten Minuten wusch ich mir nur noch das Haar, hüllte mich dann in eines der dunkelroten Handtücher und trat dann nach draußen.
Ribbon saß auf dem Bett.
Er lächelte mir aufmunternd zu. »So eine Dusche ist was Feines, hm? Du warst über eine
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