Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
neben ihm befand. Es sollte so aussehen, als würde er konzentriert arbeiten. Tatsächlich baute er gerade eine unsichtbare Standleitung zum Gehirn seines Chefs auf und suchte vorsichtig, um nicht entdeckt zu werden, die Stelle, in der geschrieben stand, dass John der Schuldige betreffend Falscheingabe der Parameter war.
John hätte nie geglaubt, dass er die falsch programmierte Stelle im Gehirn seines Chefs so schnell entdecken würde. Es war ein Leichtes gewesen, denn mittlerweile verfügte er über ein gewisses Kontingent an Übung. Sofort programmierte er die Zellen um. Er impfte ihm ein, dass sein Kollege der Verursacher war, welches ja auch den Tatsachen entsprach. Er teilte seinem Chef zudem mit, dass John gar nichts damit zu tun haben konnte, denn er war zur Zeit der Eingabe – so das Eingabeprotokoll des Computers – mit einer völlig anderen Tätigkeit beschäftigt. Sein Chef hatte ihm angeblich aufgetragen, im Kellergeschoss nach einem speziellen Ordner zu suchen. Oh ja, diese Information klang plausibel. Das gleiche würde er gleich seinem Kollegen einimpfen.
Nachdem er die Granate im Kopf seines Chefs abgelegt hatte, knöpfte er sich seinen Kollegen vor. Er tat es nicht verbal, nein, er schlich sich von hinten an und durchbohrte mit seinen manipulativen Gedankenkräften die Schädeldecke seines üblen Kollegen und suchte dort das Scheinheiligkeitszentrum. Es war ein spezieller Bereich im Gehirn, den John so getauft hatte. Er fand es in kürzester Zeit. Interessanterweise war es besonders ausgeprägt. Er löschte dessen Inhalt komplett und programmierte es völlig neu. Mittlerweile wusste er, wie man im Handumdrehen ohne entdeckt zu werden in diesem Bereich Änderungen vornehmen konnte. John schrieb die gleichbedeutenden Informationen hinein, die er soeben im Kopf seines Chefs abgelegt hatte. Ich bin der Schuldige, John war im Keller und suchte nach einem Ordner, während ich die Werte in die CNC-Maschine programmiert hatte. John ist undschuldig. Ich werde zu meiner Tat stehen und den Fehler beseitigen. Ich werde mich bei John für mein Fehlverhalten entschuldigen. Ich weiß mit den Konsequenzen umzugehen. Ich darf auf keinen Fall lügen. Wenn ich lüge, muss ich mich übergeben.
John grinste hämisch, nachdem er sich wieder ausgeloggt hatte. Er rieb sich die Hände und wartete förmlich darauf, dass er loslaufen und sich bei ihm entschuldigen würde. Vorsicht war angesagt, er musste aufpassen, dass seine Genugtuung jetzt nicht auffiel. Damit sie nicht bemerkt wurde, drehte er sich wieder zu seinem Monitor und betrachtete die Zahlenkolonnen. Anschließend sprang er ein wenig durch das Programm und tat so, als würde er intensiv arbeiten und Parameter kontrollieren.
Plötzlich erhob sich sein Kollege von seinem Stuhl und kam zielstrebig auf John zugelaufen. „John, ich muss mit dir reden. Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich war es, der die falschen Werte ins CNC-Programm eingegeben hatte. Ich hatte zuerst dich in Verdacht gehabt, aber als ich kontrolliert hatte, wer die Programmierung durchgeführt hatte, stellte ich fest, dass ich selbst es war. Da ich es für ungerecht halte, dich weiterhin als Übeltäter dastehen zu lassen, werde ich vor unserem Chef den Fehler eingestehen. Ich stehe zu meiner Tat.“
„Oh, du kannst dich plötzlich erinnern? “, antwortete John. Seine Stimme klang verwundert. „Das ist ja hoch interessant. Warum plötzlich diese Wende in deiner Argumentation? Woher stammt die Einsicht?“
„Ich hatte fürchterliche Angst vor den Konsequenzen. Sicher kannst du mich verstehen. Ich habe eine Familie. Wenn ich meinen Job verliere, kann ich mich begraben. Ich kann sie nicht mehr ernähren, wenn ich keinen Job habe. Doch mein Gewissen quält mich dermaßen, dass die einzige Lösung aus dieser Situation eine Aufklärung der Tatsachen ist. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen und dachte an Selbstmord.“
„Schlimmstenfalls musst du dir einen neuen Job suchen. Das ist dir doch klar? Unser Chef wird dir eine gute Bewertung schreiben, damit du in deinem folgenden Leben deine Familie weiterhin gut ernähren kannst.“ John legte eine rhetorische Pause ein und ging ein paar Schritte durch den Raum. Als er sich wieder zu seinem Kollegen gedreht hatte, sagte er: „Weißt du, mit ungerechten und falschen Kollegen kann ich einfach nicht zusammen arbeiten. Geh jetzt sofort zu unserem Chef und kläre die Angelegenheit. Es ist das Beste, was du tun kannst. Wenn du weiterhin
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