Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
ihm zu beschweren. Vielleicht würde er sie dann anspucken oder auslachen. Womöglich würde er ihr sogar einen Schrecken einjagen oder ihr Angst machen. Darauf hatte sie absolut keine Lust.
Heute stand der Wagen ganz besonders weit auf dem Fußweg. Noch nicht einmal ein Fußgänger wäre an ihm vorbeigekommen, ohne den daneben liegenden Vorgarten als Ausweichstelle zu betreten. Alle Menschen, die am Fahrzeug vorbei liefen, waren gezwungen, entsprechend auszuweichen.
Dieser Zustand musste sich ab sofort verändern. Sarah beschloss, etwas dagegen zu tun, sobald sie und ihre Mutter wieder zu Hause waren. Sie hatte zwar noch keinen konkreten Plan, doch ihr würde schon etwas einfallen, während sie nach Hause radelten.
Nachdem die beiden Radfahrerinnen ihre Fahrräder wieder ordnungsgemäß im Schuppen verstaut hatten, ging Sarah in ihr Kinderzimmer und nahm sich einen Stift und Papier. Sie schrieb in großen, krakeligen Buchstaben: Auf dem Fußweg parken verboten, sonst gibt es Ärger. Danach faltete sie den Zettel zusammen und steckte ihn in ihre Hosentasche. Zu Fuß waren es bloß ein paar Straßen bis zum Pickup, also rief sie ihre Freundin Jenny an und verabredete sich mit ihr. Sie trafen sich bei Sarah und beschlossen, etwas gegen den Nachbarn zu unternehmen, der ständig den Fußweg zuparkte. Ihre Mutter wollte sie für diese Aktion besser nicht um Unterstützung bitten. Sie würde es bestimmt nicht erlauben. Eine gute Freundin, auf die man sich immer verlassen konnte, war in diesem Falle wesentlich besser geeignet, um ihren Plan durchzuführen.
Sarah und Jenny gingen zu Fuß zum Pickup, nachdem sie einen Plan geschmiedet hatten. Am Zielobjekt angekommen holte Sarah den Zettel hervor, den sie zu Hause vorbereitet hatte. „Hier ist mein Brief, den ich ihm schicken wollte.“
Jenny war ein wenig verwundert und mächtig enttäuscht. „Du hast nur einen Zettel dabei? Gibt es keine weitere Überraschung für ihn, wenn er wieder zu seinem Auto kommt? Ich meine so etwas wie einen Hundehaufen auf dem Trittbrett oder so was?“
„Nein, bisher habe ich nur den Zettel. Und natürlich eine weitere kleine Überraschung. Warte ab“, antwortete Sarah und grinste. Anschließend steckte sie den Zettel in den Türspalt der Fahrertür. Der Rocker konnte ihn dort gar nicht übersehen. Kichernd entfernten sie sich vom Auto und warteten ab. Sie hatten sich ein gutes Versteck hinter einem großen Busch ausgewählt. Dort stand eine Parkbank so günstig, dass sie bequem darauf sitzen und das Fahrzeug beobachten konnten. Dennoch waren sie sich sicher, dass man sie nicht entdecken konnte.
„Jetzt erzähl schon, was machst du sonst noch mit ihm?“, fragte Jenny neugierig. „Was hast du dir ausgedacht?“
Sarah saß ein wenig in der Klemme, denn sie hatte sich tatsächlich noch gar nichts ausgedacht. „Hab Geduld.“ Sie blickte zum Himmel und entdeckte einen ziemlich großen Vogelschwarm. „Kannst du erkennen, welche Vögel dort fliegen?“
„Nein“, antwortete Jenny. „Ich glaube, es sind Stare. Warum interessierst du dich plötzlich für die Vögel?“
„Weil Vögel viel ätzenden Kot produzieren, wenn man sie erschreckt.“
„Aha. Vogelkacke. Wie kommst du jetzt auf Vogelkot?“, wunderte sich Jenny. Sie konnte die Gedankengänge ihrer Freundin noch nicht so ganz nachvollziehen. „Hast du vor, Vogelkot zu sammeln und es ihm zu schenken?“
„Nein.“
Sarah konzentrierte sich auf den Vogelschwarm. Ob sie es schaffen würde, sämtliche Vögel unter ihre Kontrolle zu bringen?
„Was machst du da? Warum starrst du die Vögel so komisch an?“, fragte Jenny und beobachtete besorgt das Gesicht ihrer Freundin. Sie wirkte, als wollte sie die Vögel hypnotisieren. „Sarah?“
„Sieh zu den Vögeln“, antwortete sie wie ein Roboter.
Jenny richtete ebenfalls ihren Blick auf den Vogelschwarm und wunderte sich nicht schlecht. Die Vögel kehrten plötzlich um. Zuerst machte es den Eindruck, als würden sie alle wegfliegen, doch seit Sarah sie so seltsam ansah, reagierten die Vögel völlig seltsam und unberechenbar. Sie flogen komplett synchron und vollführten eine Hundertachtzig-Grad-Wende. Dann kamen sie direkt auf Sarah und Jenny zugeflogen.
„Hey, hoffentlich kacken die uns nicht alle auf den Kopf“, scherzte Jenny und zog ihren Kopf ein , als der riesige Schwarm über sie hinweg schoss.
„Nein, keine Sorge, das machen die nicht. Die kacken nicht einfach alle vom Himmel. Das tun sie doch bloß, wenn
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