Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)

Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)

Titel: Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Schaberick
Vom Netzwerk:
nicht die ganze Welt vor Bosheiten retten. Du kannst nicht jeden Menschen beeinflussen, dafür gibt es einfach zu viele böse Menschen.“
    Sallys Umarmung tat unheimlich Carla gut. Sie spendete Trost, sodass sich nach einer Weile ihre Nerven wieder ein wenig beruhigten und das Zittern nachließ.
    John hatte sich nun ebenfalls einen Whisky eingegossen, der bereits zur Hälfte ausgetrunken war. Eigentlich mochte er Whisky gar nicht so gern. Doch jetzt war es einzig und allein die betäubende Wirkung, die hoffentlich möglichst schnell eintreten würde. Aber sie wollte nicht eintreten. Er merkte lediglich, wie der Whisky in seinem Hals brannte. Vielleicht kam die Wirkung später. Die Bilder des toten Mannes quälten auch ihn fürchterlich. Ab und zu wanderte sein Blick zu Franklyn, doch reden konnte er nicht. Seine Art und Weise, mit derartigen Erlebnissen umzugehen und sie zu verarbeiten war Schweigen und das Böse in sich hineinfressen. Sicherlich war dies nicht die beste Methode, jedoch funktionierte sie im Moment hervorragend.
    „ John“, leitete Carla ihre nächste Frage ein. „Warum hast du so seltsam reagiert, als ich dich traf? Ich hatte den Eindruck, du wärest komplett weggetreten. Du hattest überhaupt nicht darauf reagiert, als ich dich angesprochen hatte. Ich hatte dir sogar auf den Arm geklopft.“
    „Ich weiß es nicht. Ich kann es mir nicht erklären. Ich hatte erst bemerkt, dass du da gewesen warst, als du schon eine Weile neben mir gestanden hattest.“
    „Du hat test von der eigentlichen Tat überhaupt nichts mitbekommen. Du hattest mitten in die Menschenmenge geblickt und gar nicht reagiert, als es geknallt hatte.“
    „Das ist verrückt“, antwortete er. „Eigentlich hätte ich mich erschrecken müssen. Ich hätte direkt loslaufen mü ssen um zu sehen, was geschehen war.“
    „Du hattest nicht bemerkt, das s direkt vor deiner Nase jemand abgeknallt worden war?“, fragte Franklyn ungläubig. „Das kann doch nicht sein. Wie geht denn so was? Warst du hypnotisiert?“
    „Ich sagte doch, ich weiß es nicht. Ich kann es mir selbst nicht erklären.“ Mit seinen Händen gab er seiner Antwort mehr Ausdruck, indem er jeweils die Fingerspitzen seiner Daumen und Zeigefinger zusammenlegte, damit auf sich zeigte und seine Hände heftig auf und ab bewegte.
    „Ich glaube es dir“, sagte Sally. „Ich befürchte, du warst in einer Vergesslichkeitsphase. Vielleicht ist dies der Zustand, in dem wir uns in letzter Zeit andauernd befinden. Anschließend fragen wir uns, warum wir ein Erinnerungsloch mit uns herumtragen.“
    „Möglich ist das. Vielleicht ist es eine Art Selbstschutz, um uns vor bösen Erlebnissen zu bewahren. Wir erinnern uns nicht daran und tragen somit keine schlechten Erinnerungen mit uns herum. Eigentlich ist das doch ganz praktisch.“
    „Ja, John. Wenn man das Richtige nicht mitbekommt, ist es nützlich. Den Mord nicht miterlebt zu haben ist sicherlich von Vorteil. Was ist aber, wenn du Dinge nicht mitbekommst, die nicht so geartet sind, wie ein Mord?“
    „Das ist mir im Moment egal“, antwortete John mit gesenkter Stimme. „Im Moment geht es uns verdammt schlecht. Ich möchte nicht über unsere Erinnerungslücken diskutieren.“
    „Okay, das kann ich verstehen“, sagte Franklyn. „Ich wäre auch nicht gerade erbaut darüber, wenn ich diesen Anblick mit mir herumtragen müsste.“
    „Vielleicht ist es ganz gut, dass ich offiziell gar nicht weiß, dass es einen Mord direkt vor meinen Augen gegeben hatte. Für Carla ist es bloß fürchterlich, denn sie hatte alles miterlebt. So etwas im Fernsehen zu erleben ist dagegen absolut harmlos. Wir lassen es am Abend um acht Uhr laufen und essen währenddessen Chips. Menschen werden abgeknallt, abgestochen oder tot geschlagen, und niemanden beeindruckt es. Wenn du es aber direkt live vor deiner Nase erlebst, ist es ein klein wenig anders.“
    „Kann mich nicht jemand von diesen Gedanken b efreien?“, weinte Carla. „Ich will nicht damit leben. Ich will dieses Bild nicht ständig sehen müssen. Ich werde wahnsinnig dabei. Wie können solche Menschen damit leben, die diese Tat begangen haben? Wie können sie mit ihrem eigenen Gewissen vereinbaren, was sie da gerade getan haben? Ich verstehe das nicht. Was sind das für Bestien?“ Anschließend verfiel sie in einen Weinkrampf, aus dem sie erst nach zehn Minuten wieder herauskam. Sämtliches Gut-Zureden und streicheln half ihr nicht. Der Weinkrampf half ihr aber bei der Bewältigung

Weitere Kostenlose Bücher