Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
passiert? Warum sitzt sie so blass in Ihrem Fahrzeug?“
„Sie will mit uns sprechen, mehr darf und kann ich I hnen nicht sagen.“ Dann beugte sich der Polizist zu Carla herunter und fragte: „Kennen Sie diesen Mann?“
„Ja, ich kenne ihn. E r ist mein Freund.“ Sichtlich erleichtert stand sie auf und ging auf John zu. „Ich bin so froh, dass du hier bist.“ Sie ließ sich in seine Arme fallen und drohte erneut einzuknicken. Ihre Beine schienen aus Pudding zu sein. Völlig kraftlos stand sie vor ihm. John musste kräftig zupacken, damit sie nicht hinfiel. Jetzt setzte er sie wieder auf den weichen Sitz des Polizeiautos, denn länger hätte er sie nicht festhalten können.
Während sie sich hinsetzte, fiel ihr Blick auf die Fah rzeuge, die direkt um den Tatort herum geparkt standen. „Sieh dir das an. Die Autos sind alle voller Blut und seltsamen Teilen.“
„Sehen Sie nicht hin“, sagte der Polizist. Er wollte ihr den Anblick auf die Gehirnmasse und die Knochenteile ersparen, doch sie konnte die Augen nicht davon ablassen.
„Das ist ja ekelig. All seine Gedanken sind jetzt auf den Autos verteilt.“
Bei dieser Vorstellung musste der Polizist grinsen, obwohl ihm eigentlich gar nicht nach Grinsen zumute war. Die Gedanken sind auf den Autos verteilt. Das ist wirklich komisch. Wenn es nicht so ekelig und grausam wäre, müsste ich jetzt lachen. Hoffentlich kann ich es mir verkneifen , ging es ihm durch den Kopf.
Während John und die beiden Polizisten damit b eschäftigt waren, Carla wieder aufzubauen, sah man schockierte Menschen, die ziellos durch die Gegend liefen und ohne Unterlass redeten und diskutierten. Sie sprachen darüber, wie gefährlich es doch sei, wie schlecht die Polizei ihren Dienst erfüllte, wie böse die Menschen geworden waren und so weiter. Die Polizei hingegen versuchte, Ruhe in die Menschenmenge zu bekommen. Die sicherste Methode, einen Menschenauflauf auseinander zu treiben war es, einzelne Personen herauszugreifen und nach Hause zu schicken. Je kleiner die Gruppe wurde, desto ruhiger wurde sie auch. Zudem mussten die Polizisten verhindern, dass die Menschen der Leiche zu nahe kamen. Schließlich war der Tatort noch nicht untersucht. Wie schnell konnte es passieren, dass wichtige Spuren verwischt oder ganz zerstört wurden.
„Carla, ich würde ganz gern nach Hause gehen. Mir geht es gar nicht gut. Ich glaube, ich muss mich überg eben.“
„Ja, John, gleich. Ich muss erst meine Aussage m achen. Danach komme ich mit. Mir geht es wieder besser. Ich glaube, langsam aber sicher kommt wieder Farbe in mein Gesicht. Ich kann hier nicht weggehen, ohne dass ich losgeworden bin, was ich weiß. Hab bitte Verständnis dafür.“
„Ja, du hast tatsächlich wieder ein wenig rosafarbene Wangen bekommen. Gerade eben warst du weiß, wie die Wand. Und, ja, mach du deine Aussage. Ich kann leider nichts dazu sagen, ich habe es nicht mitbekommen.“
Carla berichtete den Polizisten haarklein, was sie beobachtet hatte. John hatte es vorgezogen, draußen zu warten und den Ermittlern zuzusehen, wie sie ihre Arbeit verrichteten. Er wollte dabei nicht stören und Carla vor allem nicht ablenken. Viel lieber beobachtete er aus sicherer Entfernung das Geschehen am Tatort. Er wollte auf keinen Fall zu nah an der Leiche stehen. Wer weiß, was er dort erblicken könnte. Es gibt Erlebnisse, die sich immerwährend in das Gehirn einbrennen. So etwas wollte er auf jeden Fall verhindern. Gleichzeitig dachte er an die armen Menschen, die diese scheußliche Arbeit erledigen mussten. Sie waren wirklich nicht zu beneiden. Ob sie vielleicht ein härteres Gemüt hatten, als er? Ob sie es einfach wegstecken konnten, wenn sie eine zerfetzte Leiche einsammeln mussten? Er konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Wie machten sie das bloß? Wie konnten sie abgetrennte Körperteile anfassen? Nahmen sie eine Pinzette dafür, oder benutzten sie ihre Finger? Wie sammelt man eine abgetrennte Hand ein, oder noch schlimmer, einen Kopf oder ein Bein? Johns Fantasie spielte ihm übel zu.
Nach einer gefühlten halben Stunde kam Carla endlich wieder aus dem Einsatzfahrzeug heraus. Sie blickte ihn erleichtert und glücklich an. „Danke, dass du gewartet hast. Du bist ein Schatz.“ Sie hatte wieder eine normale Gesichtsfarbe bekommen und sah wirklich viel besser aus.
„Das ist doch wohl selbstverständlich. Schließlich muss ich auf meine Frau in Spe aufpassen. Können wir jetzt nach Hause gehen?“
„Ja,
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