Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
B00B5B7E02 EBOK

B00B5B7E02 EBOK

Titel: B00B5B7E02 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cain
Vom Netzwerk:
sich eine Lerngruppe vor – Sie vollziehen den Schritt nur während eines Bruchteils der Zeit.«
     
    Um mehr über gezieltes Üben in der Praxis zu erfahren, brauchen wir uns nur die Geschichte von Stephen Wozniak noch einmal anzuschauen. Das Treffen von Homebrew war der Katalysator, der ihn inspirierte, den ersten PC zu bauen, aber die Wissensgrundlagen und die Arbeitsgewohnheiten, die das ermöglichten, kamen ganz woandersher. Wozniak hatte sich von Kindesbeinen an mit Technik beschäftigt. (Ericsson sagt, dass man ungefähr 10 000 Stunden gezielten Übens braucht, um wirkliche Fachkompetenz zu erwerben. Deshalb ist es hilfreich, jung zu beginnen.)
    In iWoz beschreibt Wozniak seine Leidenschaft für Elektronik in der Kindheit und nennt alle Elemente des gezielten Übens, die auch Ericsson hervorhebt. Erstens war er motiviert: Sein Vater, Ingenieur bei Lockheed, hatte ihn gelehrt, dass Ingenieure das Leben von anderen beeinflussen können und »zu den Menschen mit einer Schlüsselfunktion auf der Welt« zählen. Zweitens arbeitete er mit einer Feedbackschleife und baute sich seine Fachkompetenz mühsam Schritt für Schritt auf. Über seine Teilnahme an zahllosen Schülerwettbewerben sagt er:
    Ich erwarb eine zentrale Fähigkeit, die mir meine ganze Karriere hindurch helfen sollte: Geduld. Ich meine es ernst. Geduld wird gewöhnlich völlig unterschätzt. Bei allen Projekten von der dritten bis zur achten Klasse lernte ich die Dinge nach und nach und überlegte mir, wie man Elektronikteile zusammenbaut, ohne dass ich jemals ein Buch aufschlug … Ich lernte, nicht so sehr auf das Ergebnis zu schielen, als vielmehr mich auf den gerade anliegenden Schritt zu konzentrieren und ihn so perfekt wie möglich zu machen.
    Und drittens arbeitete Wozniak oft allein. Das war nicht unbedingt seine freie Entscheidung. Wie viele technisch begabte Kinder verlor Wozniak auf schmerzhafte Weise den sozialen Anschluss an seine Altersgenossen, als er in die Mittelstufe kam. Als er ein kleiner Junge war, hatten die anderen seine naturwissenschaftlichen Leistungen bewundert, doch jetzt schien das niemanden mehr zu interessieren. Er hasste oberflächliches Gerede, und seine Interessen entsprachen nicht denen seiner Altersgenossen. Ein Schwarzweißfoto aus dieser Zeit zeigt Wozniak mit kurzgeschorenem Haar und stolzer Miene, während er auf seine Rechenmaschine zeigt, mit der er den Schülerwettbewerb gewonnen hatte – ein kistenartiges Ungetüm aus Drähten, Knöpfen und elektronischen Teilen. Aber die Anpassungsprobleme jener Jahre hielten ihn nicht davon ab, seinen Traum zu verfolgen; sie nährten ihn vermutlich. Er hätte nie so viel über Computer gelernt, meint Wozniak heute, wenn er nicht zu schüchtern gewesen wäre, um aus dem Haus zu gehen.
    Niemand würde sich eine so schmerzhafte Jugend aussuchen, aber Tatsache ist, dass Wozniaks Einsamkeit in jungen Jahren und die uneingeschränkte Konzentration auf das, was sich als lebenslange Leidenschaft herausstellen sollte, typisch für hochkreative Menschen ist. Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi, der zwischen 1990 und 1995 das Leben von 91 außergewöhnlich kreativen Menschen auf künstlerischem, wissenschaftlichem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet unter die Lupe nahm, fand heraus, dass viele der von ihm untersuchten Personen in der Jugend Außenseiter gewesen waren, zum Teil weil »intensive Neugier und konzentriertes Interesse ihren Altersgenossen fremd erschienen«. 17 Teenager, die zu kontaktfreudig sind, um Zeit allein zu verbringen, kultivieren oft nicht ihre Talente, »weil man für ein Musikinstrument und Mathematik eine Einsamkeit braucht, vor der sie sich fürchten«. 18
    Madeleine L’Engle, Autorin des Jugendbuchklassikers Die Zeitfalte und über sechzig weiterer Bücher, sagt, dass sie sich nie zu einer solch mutigen Denkerin entwickelt hätte, hätte sie nicht einen Großteil ihrer Kindheit allein mit ihren Büchern und Ideen verbracht. 19 Als Junge freundete sich Charles Darwin leicht mit Altersgenossen an, zog es aber vor, lange einsame Spaziergänge in der Natur zu unternehmen. Auch als Erwachsener verhielt er sich noch so. »Mein lieber Mr. Babbage«, schrieb er einem Mathematiker, der ihn zum Abendessen einlud, »ich bin Ihnen für Ihre Einladungen sehr verbunden, aber ich fürchte mich, sie anzunehmen, denn ich würde dort einige Menschen treffen, denen ich bei allen Heiligen im Himmel geschworen habe, dass ich niemals ausgehe.«

Weitere Kostenlose Bücher