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welchem Rahmen das Thema präsentiert wird – und die Resultate können widersprüchlich sein. Wir entdecken Schummler und lösen logische Probleme jeweils mit unterschiedlichen Teilen unseres Gehirns. Menschen können inkohärente Entscheidungen treffen, weil das Gehirn kleine Teilaufgaben abarbeitet. Die Heuristiken, die von den Psychologen als »schnell und schmutzig« bezeichnet wurden, sind für die Evolutionspsychologen »schnell und sparsam«. Mehr noch: Einige Denker wie der Kognitionswissenschaftler Gerd Gigerenzer scheinen sich obsessiv auf der anderen Seite der Skala von Kahneman und Tversky zu positionieren. Die Arbeiten, die er und seine Kollegen bei der ABC Group (Adaptive Behavior & Cognition) durchführen, sollten zeigen, dass wir rational sind und die Evolution eine, wie er es nennt, »ökologische Rationalität« hervorbringt. Diese Wissenschaftler glauben, dass uns probabilistisches Verhalten nicht nur in Situationen wie Partnerwahl (wie viele Vertreter des anderen Geschlechts muss man kennen lernen, bevor man den Auslöser drückt?) oder Auswahl aus einer Speisekarte angeboren ist, sondern auch in der Aktienselektion. Wenn Wertpapiere uns richtig präsentiert werden, handeln wir ihrer Meinung nach auch angemessen.
Faktisch räumt auch Gigerenzer ein, dass wir Wahrscheinlichkeit nicht verstehen (zu abstrakt), sagt aber, wir würden recht gut auf Häufigkeiten reagieren (weniger abstrakt). Seiner Auffassung zufolge verschwinden einige Probleme, die uns normalerweise zu Fehlern verleiten würden, wenn sie uns in Prozentsätzen beschrieben werden.
Nach Meinung dieser Forscher mögen wir uns unser Gehirn zwar als zentrales Verarbeitungssystem mit hierarchischen Merkmalen vorstellen, doch weist es eher Parallelen zu einem Schweizer Armeemesser (mit seinen kleinen Spezialwerkzeugen) auf. Der Grund: Der Rahmen der Psychologen beruht auf der Unterscheidung zwischen domänenspezifischen und domänenallgemeinen Anpassungen. Eine domänenspezifische Anspassung dient der Lösung einer ganz präzisen Aufgabe (während domänenallgemeine Anpassungen globale Fragen beantworten sollten). Das ist zwar leicht verständlich und für physiologische Anpassungen nachvollziehbar (so hilft etwa der lange Hals einer Giraffe, ihre Nahrung zu erreichen, und die Färbung eines Tieres dient als Tarnung), doch fällt es Menschen schwer zu akzeptieren, dass dies für unser Denken ebenso zutrifft.
Unser Gehirn arbeitet in »Modulen«. Ein interessanter Aspekt der Modularität ist die Tatsache, dass wir unterschiedliche Module für verschiedene Ausprägungen des gleichen Problems verwenden – je nach dem Rahmen, in dem es dargestellt wird (vgl. die Anmerkungen zu diesem Kapitel). Eine Eigenschaft eines Moduls ist seine »Verkapselung«: Wir können seine Funktionsweise nicht beeinflussen, da wir uns seiner Verwendung gar nicht bewusst sind. Das bemerkenswerteste Modul verwenden wir bei der Suche nach einem Schummler. Rein logisch (jedoch mit äußerster Klarheit) ausgedrückt wird ein Rätsel nur von 15 Prozent der Menschen gelöst, denen es vorgelegt wird. Formuliert man das gleiche Rätsel aber so, dass eine Schummelei entdeckt werden soll, findet fast jeder die richtige Antwort.
... auch die Neurobiologen melden sich zu Wort
Auch die Neurobiologen steuern ihre eigene Facette zu dieser Geschichte bei. Sie glauben (mehr oder weniger), dass wir drei Gehirne haben: das uralte Reptiliengehirn, das unseren Herzschlag steuert und das wir mit allen Tieren gemein haben, das in allen Säugetieren zu findende limbische Gehirn, in dem die Gefühle sitzen, und die Neokortex – das kognitive Gehirn, das Primaten und Menschen auszeichnet (man beachte, dass selbst institutionelle Investoren eine Neokortex zu besitzen scheinen).
Wenngleich es sehr schwierig festzustellen ist, welcher Teil des Gehirns genau für welche Funktionen zuständig ist, haben Neurobiologen Gehirnregionen teilweise kartografiert. Beispielsweise arbeiten sie mit Patienten, deren Gehirn an einer einzigen Stelle geschädigt wurde (etwa durch einen Tumor oder eine offensichtlich lokal begrenzte Verletzung), und leiten durch Eliminierung diejenigen Funktionen ab, die dieser Teil der Anatomie steuert. Daneben werden auch Methoden wie Brain Imaging oder elektrische Stimulation bestimmter Regionen eingesetzt. Viele Forscher außerhalb der Neurobiologie, etwa der Philosoph und Kognitionswissenschaftler Jerry Foder (der als Erster das Konzept der Modularität
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