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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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lässt sich selbst an den Mast binden. Die Matrosen erhalten den strengen Befehl, ihn unter keinen Umständen loszubinden. Als sie sich der Insel der Sirenen nähern, liegt das Meer ruhig vor ihnen und übers Wasser erklingt eine so wundervolle Musik, dass Odysseus sich gegen seine Fesseln aufbäumt und ungeheuere Energien darauf verwendet, sich zu befreien. Seine Männer binden ihn noch fester an den Mast, bis sie die gefährlichen Gewässer sicher hinter sich gelassen haben.
    Die erste Lehre, die ich aus dieser Geschichte zog, lautete: Ich sollte nicht einmal versuchen, es Odysseus gleichzutun. Er ist eine mythologische Figur; ich bin das nicht. Er kann sich an den Mast binden lassen; ich kann lediglich den Rang eines Matrosen erreichen, der seine Ohren mit Wachs verstopfen lassen muss.

So gescheit bin ich einfach nicht
    Den Wendepunkt in meiner Karriere in der Zufallslehre erlebte ich, als ich erkannte, dass ich weder gescheit noch stark genug war, um überhaupt den Versuch wagen zu können, gegen meine Emotionen anzukämpfen. Außerdem glaube ich auch, dass ich meine Gefühle brauche, um meine Gedanken zu formulieren und die Energie für ihre Umsetzung aufzubringen.
    Ich bin gerade intelligent genug zu verstehen, dass ich dazu neige, mich vom Zufall an der Nase herumführen zu lassen – und zu akzeptieren, dass ich ein ziemlich emotionaler Mensch bin. Meine Gefühle beherrschen mich, aber als Ästhet bin ich darüber glücklich. Ich bin nicht anders als all die Figuren, über die ich mich in diesem Buch lustig gemacht habe. Mehr noch: Ich bin vielleicht noch schlimmer als sie alle, weil meine Überzeugungen und mein Verhalten möglicherweise negativ miteinander korrelieren (so wie dies bei Popper der Fall war). Der Unterschied zwischen mir und jenen, die ich durch den Kakao ziehe, besteht darin, dass ich versuche, mir meine Schwächen bewusst zu machen. Ich kann Wahrscheinlichkeiten noch so lange studieren und zu ergründen versuchen, meine Gefühle werden auf andere Berechnungen reagieren, die mir meine einfältigen Gene insinuieren. Mein Gehirn mag zwar zwischen Nebengeräuschen und Signalen unterscheiden können, aber mein Herz kann es nicht.
    Dieses törichte Verhalten beschränkt sich beileibe nicht auf Wahrscheinlichkeiten und Zufälle. Ich glaube nicht, dass ich vernünftig genug bin, um nicht wütend zu werden, wenn ein rüder Fahrer hinter mir auf die Hupe drückt, weil ich eine Nanosekunde zu spät losfahre, nachdem die Ampel auf Grün umgeschaltet hat. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass diese Wut selbstzerstörerisch ist und nichts nützt und dass ich schon lange im Grab liegen würde, wenn ich mich über jeden Idioten um mich herum ärgern würde, der sich so oder ähnlich verhält. Diese kleinen, alltäglichen Emotionen sind nicht rational. Aber wir brauchen sie, um richtig funktionieren zu können. Wir sind so programmiert, dass wir auf Feindseligkeit feindselig reagieren. Ich habe genug Feinde, um meinem Leben einen Kick zu geben, aber manchmal wünschte ich mir, ich hätte noch ein paar mehr (ich gehe selten ins Kino und brauche ein bisschen Unterhaltung). Das Leben wäre unerträglich fade, wenn wir keine Gegner hätten, an die wir unsere Anstrengungen und unsere Energie verschwenden können.
    Die gute Nachricht lautet, dass es Tricks gibt. Einer davon besteht darin, in solchen Situationen im Verkehr Blickkontakt mit der anderen Person (über den Rückspiegel) zu vermeiden. Der Grund: Wenn man jemandem in die Augen schaut, wird durch diesen Blickkontakt ein anderer Teil des Gehirns – der emotionalere – aktiviert und in die Interaktion eingebunden. Ich versuche mir vorzustellen, dass der andere ein Marsmensch ist, kein Erdbewohner. Manchmal funktioniert das – aber es klappt am besten, wenn der andere aussieht, als gehöre er einer anderen Spezies an. Wie gelingt mir das? Ich mache für mein Leben gern Radtouren auf Landstraßen. Als ich neulich zusammen mit anderen Radfahrern so dahinfuhr und in einem ländlichen Gebiet die Autos hinter uns unseretwegen langsamer fahren mussten, öffnete eine Frau in einem riesigen Geländewagen ihr Fenster und warf uns wilde Flüche an den Kopf. Es gelang mir nicht nur, mich nicht zu ärgern – ich unterbrach nicht einmal meinen Gedankenfluss, denn ich hörte ihr gar nicht zu. Wenn ich auf meinem Rad sitze, werden Menschen in Last- und Geländewagen zu einer Art gefährlichem Tier, das mich bedrohen, aber nicht wütend machen kann.
    Wie jeder

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