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würde ich das Glücksspiel als eine Tätigkeit beschreiben, die dem Akteur einen Nervenkitzel verschafft, wenn er mit einem zufälligen Ergebnis konfrontiert wird, ganz gleich ob die Gewinnchancen für oder gegen ihn sprechen. Selbst wenn alles eindeutig gegen den Spieler spricht, ignoriert er manchmal die Gewinnchancen im Glauben, dass das Schicksal ihn für etwas ganz Besonderes auserkoren hat. Das ist auch bei sehr kultivierten Menschen zu beobachten, die man in Spielkasinos trifft, wo sie eigentlich nichts verloren haben. Mir sind Wahrscheinlichkeitsexperten von Weltrang über den Weg gelaufen, die nebenbei ihrer Spielleidenschaft frönten und dabei ihr ganzes Fachwissen über Bord warfen. So fuhr etwa ein ehemaliger Kollege von mir, der zu den intelligentesten Menschen gehört, die ich jemals kennen gelernt habe, oft nach Las Vegas und ließ sich dort offenbar so gut ausnehmen, dass ihm das Kasino kostenlose Luxussuiten und Limousinen zur Verfügung stellte. Er konsultierte sogar eine Wahrsagerin, bevor er große Handelstransaktionen einging, und versuchte, sich ihr Honorar von unserem Arbeitgeber zurückerstatten zu lassen.
Skinners Taubenexperiment
Im Alter von 25 Jahren wusste ich rein gar nichts über die Verhaltenslehre. Ich ließ mich von meiner Bildung und Kultur zu dem Glauben hinreißen, dass meine abergläubische Ader kultureller Natur sei und daher durch Einsatz der so genannten Vernunft abgelegt werden könne. Auf allgemeinerer Ebene – in der Gesellschaft – würde das moderne Leben Aberglauben durch Wissenschaft und Logik ersetzen. Das glaubte ich zumindest. Obwohl sich meine intellektuelle Bildung im Laufe der Zeit verbesserte, brachen in meinem Fall aber die Schleusen des Zufalls und ich wurde immer abergläubischer.
Der Hang zum Aberglauben musste biologisch begründet sein – ich wuchs aber in einer Zeit auf, in der die herrschende Lehre in der Regel der Erziehung und nur selten der Natur die Schuld gab. Die Brücke, die ich zwischen meiner Brille und zufälligen Börsenbewegungen schlug, war mit Sicherheit nicht kulturell begründet, ebenso wenig wie die Verbindung zwischen dem von mir benutzten Eingang und meiner Performance als Börsenhändler, die ich zu erkennen glaubte. Auch das Tragen der gleichen Krawatte wie am Vortag hatte keinen kulturellen Hintergrund. In unserer Entwicklung ging in den letzten tausend Jahren irgendetwas schief, und ich musste mich mit den Relikten unseres alten Gehirns herumschlagen.
Wenn wir dieser Sache auf den Grund gehen wollen, müssen wir uns die Bildung solcher Ursache-Wirkung-Assoziationen in niederen Lebensformen ansehen. Der renommierte Harvard-Psychologe B.F. Skinner baute einen Kasten für Ratten und Tauben, der mit einem Schalter ausgestattet war, den die Taube mit einem Schnabelhieb betätigen konnte. Darüber hinaus fällt über einen elektrischen Mechanismus Futter in den Kasten. Skinner baute diesen Kasten, um allgemeinere Eigenschaften des Verhaltens verschiedener Tiere zu untersuchen. 1948 hatte er dann die geniale Idee, den Hebel nicht mehr zu berücksichtigen und sich ganz auf die Futterbereitstellung zu konzentrieren. Er programmierte seinen Mechanismus so, dass er den hungrigen Vögeln nach dem Zufallsprinzip Futter gab.
Skinner beobachtete bei den Vögeln ein recht erstaunliches Verhalten: Als Reaktion auf ihre tief verwurzelte statistische Maschinerie entwickelten sie einen hoch komplizierten, an einen Regentanz erinnernden Bewegungsablauf. Ein Vogel schwang seinen Kopf rhythmisch in die Richtung einer bestimmten Ecke des Kastens, andere drehten ihren Kopf gegen den Uhrzeigersinn. Buchstäblich alle Vögel entwickelten ein spezielles Ritual, das sie im Laufe der Zeit immer stärker mit der Fütterung in Beziehung setzten.
Das Problem hat eine Besorgnis erregende Konsequenz. Wir sind nicht dafür geschaffen, Dinge als voneinander unabhängig zu betrachten. Wenn wir Ereignis A und Ereignis B beobachten, fällt es uns schwer, nicht anzunehmen, dass A B verursacht oder B A hervorgerufen hat oder beide wechselseitig abhängig sind. Wir neigen dazu, sofort eine kausale Verbindung zwischen zwei Ereignissen herzustellen. Einen angehenden Börsenhändler mag dies höchstens ein paar Cent Taxifahrgeld mehr kosten, aber einen Wissenschaftler kann es zu falschen Schlussfolgerungen verleiten. Sich zu verhalten, als wäre man unwissend, ist nämlich schwieriger, als so zu tun, als wäre man klug; jeder Wissenschaftler weiß, dass es einen
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