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jedoch mit meinen unmittelbaren Erfahrungen zu tun haben. Ich möchte nochmals betonen, dass es sich hier um einen persönlichen Essay und nicht um eine Abhandlung handelt.
Nach der Fertigstellung dieser Sammlung entdeckte ich, dass Fragen der menschlichen Natur (meist aus der empirischen Psychologie) im Vergleich zu mathematischen Aspekten dominieren. Ein Zeichen der Zeit: Ich bin überzeugt, dass die nächste Auflage eine Fülle von Referenzen und Anmerkungen zur Neurobiologie und Neuroökonomie enthalten wird.
Vorwort
Rückschaufehler (»hindsight bias«): Auch »Montagmorgen-Quarterback« genannt. Vgl. Fischhoff (1982).
Klinisches Wissen: Das Problem, dass Kliniker nicht wissen, was sie nicht wissen, und das nicht so recht verstehen. Vgl. die bahnbrechende Einführung bei Meehl (1954): »... die dogmatische, selbstgefällige Behauptung, die man bisweilen von Klinikern hört, dass auf einem ›wahren Verständnis‹ beruhende klinische Prognosen ›natürlich‹ überlegen seien, wird von den Fakten bislang einfach nicht bestätigt.« In seinen Tests waren Prognosen mit versicherungsmathematischen Mitteln in nahezu allen Fällen – mit einer einzigen Ausnahme – gleich gut oder besser als klinische Methoden. Schlimmer noch: In einer späteren Veröffentlichung änderte er seine Meinung zu dieser einen Ausnahme. Seit Meehls Arbeiten gibt es eine langjährige Tradition der Überprüfung von Expertenmeinungen, die diese Ergebnisse bestätigen. Dieses Problem gilt für jeden Beruf – insbesondere für Journalisten und Wirtschaftswissenschaftler. In weiteren Anmerkungen werden wir das damit verbundene Problem der Selbsterkenntnis erörtern.
Montaigne vs. Descartes: Ich danke dem Erforscher künstlicher Intelligenz und omnivoren Leser Peter McBurney dafür, dass er mich auf die Thesen in Toulmin (1990) hingewiesen hat. Dazu muss ich leider anmerken, dass Descartes ursprünglich ein Skeptiker war (wie seine Dämonenhypothese beweist), allerdings das »kartesische Denken« jemandem entspricht, der gerne Gewissheit hat. Descartes’ These in ihrer ursprünglichen Form lautet, dass es abgesehen von eng definierten deduktiven Ausagen nur wenige Gewissheiten gibt, nicht dass unser gesamtes Denken deduktiv sein muss.
Umkehrschluss:
Dieser logische Trugschluss wird im Allgemeinen wie folgt beschrieben:
Wenn p, dann q
q
daher, p
(Alle Mitglieder der Familie Schmidt sind groß; er ist groß und daher gehört er zur Familie Schmidt.)
»The Millionaire Mind«: Stanley (2000). Er zog auch den (richtigen) Schluss, dass die Reichen »risikofreudig« seien und folgerte daraus (irrtümlich), dass Risikofreude einen reich mache. Hätte er eine Gruppe gescheiterter Unternehmer analysiert, wäre er ebenfalls zu dem (richtigen) Schluss gelangt, dass auch sie »risikofreudig« sind.
Journalisten sind »praxisorientiert«: Den Begriff »praxisorientiert« hörte ich mindestens vier Mal von Journalisten, die ihre Vereinfachungen rechtfertigen wollten. Die Fernsehsendung, die mich um drei Aktienempfehlungen bat, wollte etwas »Praxisorientiertes«, keine Theorien.
Prolog
Mathematik steht im Widerspruch zur Wahrscheinlichkeitslehre: Bei der einen geht es um Gewissheiten, bei der anderen um das genaue Gegenteil. Das erklärt, warum reine Mathematiker der Wahrscheinlichkeitslehre lange Zeit keinen Respekt zollten – und warum die Integration dieser beiden Disziplinen so schwierig ist. Erst vor kurzem wurde die Bezeichnung »Logik der Wissenschaft« geprägt – der Titel des posthum erschienen Jaynes (2003). Interessanterweise bietet dieses Buch auch den vielleicht umfassendsten Überblick über die Mathematik des Sujets – es gelang ihm, Wahrscheinlichkeit als Erweiterung konventioneller Logik zu verwenden.
Der bekannte Mathematiker und Gewinner der Fields-Medaille David Mumford bereut seine frühere Verachtung der Wahrscheinlichkeit. In seinem Artikel »The Dawning of the Age of Stochasticity« (Mumford, 1999) schreibt er. »Seit mehr als zwei Jahrtausenden beherrscht die aristotelische Logik das Denken westlicher Intellektueller. Alle präzisen Theorien, alle wissenschaftlichen Modelle, sogar Modelle des Denkprozesses an sich haben sich grundsätzlich der Zwangsjacke der Logik unterworfen. Nach ihren dubiosen Anfängen als Instrument zur Entwicklung von Spieltheorien und zum Zählen von Leichen im mittelalterlichen London entpuppen sich Wahrscheinlichkeitslehre und statistische Inferenz nun aber als bessere Grundlagen
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