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wollte aber präzisere Informationen darüber hören, wie sich die europäischen Rentenmärkte bis Weihnachten entwickeln würden.
Er gewann den Eindruck, dass ich ihn auf den Arm nehmen wollte – und das zerstörte fast die Beziehung zwischen meinem Vater und seinem reichen, selbstbewussten Freund. Denn der gute Herr rief ihn an und beschwerte sich bitterlich: »Wenn ich einem Rechtsanwalt eine rechtliche Frage stelle, antwortet er mir höflich und präzise. Wenn ich einem Arzt eine medizinische Frage stelle, teilt er mir seine Meinung mit. Kein Fachmann bringt mir jemals mangelnden Respekt entgegen. Ihr unverschämter, eingebildeter 29-jähriger Sohn gebärdet sich wie eine Primadonna und weigert sich, mir zu sagen, in welche Richtung die Börse sich bewegen wird!«
Seltene Ereignisse
Das Geschäft, das ich mein Leben lang an der Börse betrieben habe, lässt sich am besten als »schiefe Wetten« beschreiben. Ich versuche nämlich von seltenen Ereignissen zu profitieren, die sich in der Regel nicht oft wiederholen, aber aus genau diesem Grund bei ihrem Eintreten zu einem hohen Gewinn führen. Meine Absicht ist es, in möglichst unregelmäßigen Abständen Geld zu verdienen, weil ich einfach der Überzeugung bin, dass seltene Ereignisse nicht angemessen bewertet sind. Und je seltener ein Ereignis eintritt, desto weniger spiegelt sein Preis seinen wahren Wert wider. Neben meinem eigenen Empirismus beziehe ich meiner Ansicht nach einen gewissen Vorteil aus der Tatsache, dass Börsenhandel der Intuition zuwiderläuft (und unser emotionales System dafür nicht ausgelegt ist).
Warum wird diesen Ereignissen eine so geringe Wertschätzung zuteil? Der Grund dafür ist eine psychologische Voreingenommenheit: Meine Berufskollegen konzentrieren sich zu sehr darauf, bei ihrer Zugfahrt zur Arbeit den zweiten Teil des Wall Street Journal auswendig zu lernen, um die Merkmale zufälliger Ereignisse gebührend zu würdigen. Vielleicht haben sie aber auch zu viele Gurus im Fernsehen gesehen oder zu viel Zeit damit verbracht, ihren PalmPilot upzugraden. Selbst einige erfahrene Börsenveteranen scheinen nicht zu verstehen, dass Häufigkeiten keine Rolle spielen. Die »Börsenlegende« Jim Rogers gab folgenden Kommentar ab:
Ich kaufe keine Optionen. Das ist eine der Alternativen, die einen ins Armenhaus bringen. Bei einer Untersuchung im Auftrag der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde wurde festgestellt, dass 90 Prozent aller Optionen mit Verlusten auslaufen. Wenn also 90 Prozent aller Long-Positionen im Optionshandel Verlust bringen, müssen meiner Rechnung nach 90 Prozent aller Short-Positionen Gewinne einfahren. Falls ich jemals Optionen einsetzen würde, um einen Vorteil aus Kursrückgängen zu ziehen, würde ich Kaufoptionen verkaufen.
Offensichtlich ist die statistische Aussage, dass 90 Prozent aller Optionspositionen Verluste bringen (also die Häufigkeit ), bedeutungslos, wenn wir nicht berücksichtigen, wie viel Geld im Durchschnitt mit den verbleibenden 10 Prozent verdient wird. Wenn man seinen Einsatz im Durchschnitt verfünfzigfachen kann, wenn der Abschlusspreis der Option unter dem Marktkurs liegt (die Option folglich »im Geld« ist, wie man sagt), kann ich guten Gewissens behaupten, dass der Kauf von Optionen nicht ins Armenhaus, sondern in einen Palast führt. Für einen Mann, der nicht zwischen Wahrscheinlichkeit und Erwartung unterscheiden kann, hat es der gute Jim Rogers im Leben weit gebracht (er war seltsamerweise ein Partner von George Soros, einem vielschichtigen Mann, den seltene Ereignisse reich gemacht haben – wir werden später noch mehr über ihn hören).
Ein solches seltenes Ereignis war der Börsencrash von 1987, der meinen Erfolg als Börsenhändler begründete und mir den Luxus erlaubte, allen möglichen wissenschaftlichen Neigungen nachzugehen. Nero mit dem kleineren Haus aus Kapitel 1 will sich dadurch absichern, dass er dem Risiko seltener Ereignisse aus dem Weg geht – ein eher defensiver Ansatz. Ich bin weitaus aggressiver als Nero und gehe einen Schritt weiter: Meine Karriere und mein Geschäft habe ich so organisiert, dass ich von seltenen Ereignissen profitieren kann. Mit anderen Worten: Mein Ziel ist es, durch asymmetrische Wetteinsätze bei seltenen Ereignissen hohe Gewinne einzufahren.
Symmetrie und Wissenschaft
In den meisten Disziplinen spielen solche Asymmetrien keine Rolle. In einem theoretischen Umfeld, wo Kriterien nur erfüllt oder nicht erfüllt sind und die
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