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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Du kennst ihre Gründe letzten Endes gar nicht.«
    »Ein guter Punkt. Ein sehr guter Punkt.« Sam gerät in Fahrt. »Wenn es Gründe gibt, würde ich die gern wissen.«
    »Aber …«
    »Dad! Du hast eben durchblicken lassen, dass die Gründe, die ihr mir genannt habt, nicht die richtigen sind.«
    Betreten sieht Robert zu Boden. Sam schiebt ihren Stuhl zurück.
    »Ich will niemanden verurteilen. Ich nehme eine Pause von der Familie, um das alles für mich selbst klarzukriegen. Verstehst du das?«
    Robert nickt.
    »Ich war immer für die Familie da, habe mich zu allem breitschlagen lassen. Manchmal weiß ich nicht mehr, wer ich in dem ganzen Gewirr von Ansprüchen, Wünschen und Hinterhalten eigentlich selbst bin.« Sie steht auf. »Tut mir leid, Dad. Du schlitzt auf deine Weise aus. Mit Eva. Es sei dir gegönnt und von mir wird Mutter nichts erfahren. Ich suche meinen eigenen Notausgang. Schönen Abend noch.«
    Sie verlässt die Künstlerklause. Draußen in der milden Abendluft, die nach Linden riecht, spürt sie die Tränen über ihre Wangen rinnen.
    Sie macht sich auf den Weg über den Schlossplatz. Die Theatervorstellung ist gerade aus, die Leute steigen in ihre Wagen, wobei jeder zuerst vom Platz rollen will, es ist ein einziges Chaos. Der feine Kies spritzt auf, man spürt die Ungeduld.
    Seltsam, denkt Sam, während sie auf die Ehrenburg zugeht, erst haben sie einen vergnüglichen Abend in der Oper verbracht, aber draußen wartet schon wieder dieser Wahn, immer und überall der Erste sein zu müssen. Sie geht an der Ehrenburg entlang. Hier ist es jetzt ruhig, bis auf die Theaterheimkehrer in ihren Autos. Es beginnt zu nieseln. Sam zieht die Schultern hoch. Trotz der milden Luft ist ihr mit einem Mal kalt.
    Sie wird beobachtet.
    Sie ist sich absolut sicher. Jemand lauert irgendwo in der Nacht und beobachtet ihren Gang durch die Gassen. Sie schlängelt sich durch die Kirchgasse, wobei sie fast in Panik gerät. Es ist hier so eng, dass sie die Hausmauern mit ausgestreckten Armen berühren kann. Es riecht scharf nach Urin. Irgendwo kläfft ein Hund. Sam eilt an der Morizkirche vorbei, zieht den Hausschlüssel aus der Tasche. Ihr Blick schweift über die geparkten Autos. Der Schlüssel rutscht beinahe aus ihren verschwitzten Händen. Sie rammt ihn ins Schloss, als hinter ihr jemand aus dem Schatten eines Baumes gleitet.
    Sam fährt herum. Es ist Roman.

52
    Victoria liegt auf dem Sofa im Wohnzimmer, vor sich ein Glas Gin Tonic. Sie hat die vergangenen zwei Wochen in einer Art Agonie verbracht. Ihre Augen sind rot und entzündet, selbst die antiallergischen Tropfen helfen nicht. Sie magert zusehends ab. Da sie ohnehin sehr schlank ist, scheint es ihr, als verlöre sie vollkommen den Halt.
    Sie hat Robert zu Sam geschickt.
    Sie vermisst Sam.
    Sam wird ihr das nicht abkaufen, Sam versteift sich auf diese absurde Vorstellung, dass Victoria sie nicht liebt. Sie muss etwas spüren, denkt Victoria. Dennoch kommt ihr die Vorahnung bizarr vor, schließlich gibt es Entfremdung zwischen Töchtern und Müttern in beinahe jeder Familie, wenn nicht auf Dauer, so immerhin für gewisse Zeiten. Selbst in Familien ohne solche düsteren Geheimnisse.
    Victoria ist erleichtert, dass sie John Carrick nicht auf dem Gewissen hat. Er ist an einem Infarkt gestorben. Angeblich waren seine Herzkranzgefäße vollends ruiniert. Er wusste es wohl nicht. Happy John. Einer, dem der Tod keine Zeit zum Bedauern lässt.
    Victoria fragt sich oft, ob Grace damals Zeit hatte, zu begreifen, dass sie in den Tod stürzte. Ob sie sofort tot war. Ob sie vor Angst durchdrehte, oder ob sie mit einem matten Erstaunen auf den zerklüfteten Felsen tief unter der Klippe aufschlug. Ob sie Schmerzen hatte.
    Verdammt! Victoria reibt sich die Augen. Der Juckreiz ist unerträglich.
    Sie hat John Carrick mächtig rangenommen. Ihm die Meinung gegeigt. Ihn einen Schnüffler genannt, einen Halunken. Sie hat den Verdacht, John könnte ein Handlanger sein, ein Erfüllungsgehilfe für einen anderen, der es auf ihre Ausstellung abgesehen hat. Vielleicht irgendein Pressemensch, der eine gute Story braucht, um ihr die Ausstellung unter den Füßen wegzuhebeln. Einer, der Victoria gerne abstürzen sähe.
    Sie erschauert bei dem Wort ›abstürzen‹ und trinkt schnell einen Schluck Gin. Ihre Kinder melden sich nicht bei ihr. Blanca redet ihr ein, sie müssten endlich mit Sam das Gespräch suchen. Blancas Motiv ist einleuchtend: Sie vermisst Sam. Die Enkelin, ihr ein und alles.

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