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Gespräch durch den Kopf, das sie neulich, kurz vor der Finissage, auf der Terrasse des Gabrielli Sandwirth mit Loredan geführt hat. Einen Skandal brauchen wir nicht. Wir beide nicht.
»Er kann nichts wissen«, flüstert Eleni. Sie beugt sich zu Hanna vor. »Niemand weiß es. Nur du. Und du weißt es auch erst seit Kurzem.«
»Weil du es mir – Pardon – auf dem Klo gestanden hast!« Hanna lacht auf. Freundschaftlich, kumpelhaft.
»Wie Frauen das eben so machen!« Eleni zuckt die Achseln. Plötzlich spürt sie den Schmerz wieder, der von ihrer Hüfte ins Bein hinunterkriecht. Sie denkt an Loredans Worte, mit denen er ihre angebliche Doppelgängerin, die er im Peggy-Guggenheim-Museum gesehen hat, beschrieb.
Das Gesicht dieser jungen Dame … ich hätte schwören können …
»Er macht Andeutungen, Eleni. Er kann gefährlich werden. Ein Skandal mag deine Verkaufszahlen anheben …«
»Um Himmels willen!« Eleni lässt den Ober den Rest des Meeresfrüchtesalates abräumen. »Ich wäre eine Gefangene, wenn etwas herauskommt. Ich kann nicht noch einmal von vorn anfangen, Hanna!«
Hanna lächelt traurig. »Du bist eine Überlebenskünstlerin, Eleni!«
»Nein. Eine Todeskünstlerin.«
»Unsinn.«
»Ich habe ihr Leben bereits zerstört. Ich kann das kein zweites Mal tun!« Eleni senkt die Stimme. »Das verstehst du doch, oder?«
Der Kellner stellt ihnen die filettierte und mit Öl angerichtete Seezunge hin. »Grazie.« Hanna nimmt ihre Gabel. »Ja. Das verstehe ich.«
»Lass uns essen«, bittet Eleni. Sie ist tatsächlich hungrig nach der langen Reise. Sie braucht etwas im Magen, damit die Schmerzpillen, die sie nachher nehmen wird, sie nicht innerlich zerfressen. Sie hat so viel gegeben für ihre Freiheit. Nicht freiwillig, nein. Sie hat sich dieses Schicksal nicht ausgesucht. Gar nichts von dem, womit sie zurechtkommen musste. Wahrscheinlich geht das jedem Menschen auf der Welt so, denkt sie, während sie voller Appetit den köstlichen Fisch isst. Sie hat sich den herrschsüchtigen Vater nicht ausgesucht, die Schwangerschaft nicht, den Sturz nicht, die neue Identität nicht. Sie hat freilich immer etwas aus dem gemacht, was ihr hingeworfen wurde. Versucht, allem einen Sinn abzugewinnen, um nicht verrückt zu werden. Sie hat sich eingerichtet in ihrem Leben, nimmt die Schmerzen hin, akzeptiert, dass Tabletten aller Art sie nach und nach vergiften, aber sie hat gut durchgehalten, sie genießt, was ihr bleibt.
»Du weißt nicht alles«, murmelt Eleni, als sie den leeren Teller wegschiebt und nach dem Kellner winkt, um zwei Espressi zu bestellen.
»Jesus Maria, noch mehr Geheimnisse?«
»Ich habe eine Tochter. Und ich fürchte, Loredan hat sie gesehen und eins und eins zusammengerechnet.«
57
Luna hat sich auf Sams Sofa eingerichtet. Beide schlafen weinselig und erschöpft ein, als längst der Morgen dämmert. Gegen zehn steht Sam auf, setzt Teewasser auf. Luna, den Kopf gegen das Sonnenlicht halb unter der Decke vergraben, blinzelt.
»Morgen«, grummelt sie.
»Steh auf! Lass uns ins Atelier gehen!«
»Wie wäre es mit Frühstück?«
»Ich habe nichts da. Unterwegs, okay?« Sam hat es eilig, aus der Wohnung rauszukommen. »Die Arbeit ruft.«
»Mein lieber Scholli, da habe ich mir eine ehrgeizige Mitarbeiterin angelacht.«
Sam grinst. »Arbeit ist das halbe Leben.« Sie will Luna erzählen, wie gut es ihr tut, die vertrauten Handgriffe zu verrichten, sich auf das zu konzentrieren, was machbar, gestaltbar ist. Aber für solche Gespräche scheint ihr der Morgen nicht der richtige Zeitpunkt. Mit ein paar schnellen Handgriffen räumt sie die Überbleibsel der letzten Nacht auf, gießt den Tee auf, reicht Luna eine Tasse.
Aus dem Gymnasium um die Ecke strömt eine Gruppe Oberstufler. Sie stellen sich zum Rauchen vor die Morizkirche, lachen, kichern, ziehen sich gegenseitig auf.
»Du liebe Zeit, bin ich froh, dass ich keine Schülerin mehr bin. Und nie mehr eine sein werde. Das immerhin steht fest, auch wenn sonst im Leben nichts sicher ist.« Luna stellt ihre Tasse weg.
»Lass uns gehen.«
Sie verlassen die Wohnung. Stefanie Mohr, Sams Nachbarin, bringt gerade den Müll raus. Neugierig mustert sie Luna, während sie fragt: »Sie wohnen jetzt wieder hier, oder? Geht es Ihrer Großmutter besser?«
»Ja, Gott sei Dank«, antwortet Sam.
Rasch schiebt sie Luna zur Tür hinaus.
Sie gehen über den Kirchhof. Luna gähnt herzhaft. Die Schüler sind weg. Der Tag verspricht warm zu werden, schon jetzt
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