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berechnet. Sam geht ins Kongresshaus, misst nach, sortiert um.
Im Anschluss daran trifft sie den Caterer. Sie bestellt Prosecco und Weißwein, verlässt sich bei den Mengenangaben auf die Erfahrung der Profis. Sie hätte gern etwas weniger Spießiges als russische Eier und Gulaschsuppe zu den üblichen Häppchen gehabt, aber die Fantasie kommt ihr mit jedem Tag, der vergeht, mehr abhanden. Letztlich ist sie nur froh, einen weiteren Eintrag auf der ›Zu erledigen‹-Liste abhaken zu können.
Nikolajs Datenstick und das Equipment von Frau Hartmann sind nicht kompatibel, sodass sie am Abend des nächsten Tages, als sie länger als sonst im Atelier gearbeitet hat, bei ihrem Bruder vorbeigeht und ihn um Rat fragt. Nikolaj und Trixi sitzen vor dem Fernseher und schauen eine Serie an. Trixi fragt, ob Sam mit zu Abend essen möchte, aber sie hat keinen Appetit und wartet ungeduldig darauf, dass Nikolaj die Daten konvertiert. Währenddessen plaudert sie mit Trixi und fühlt sich belanglos; die langweilige, unattraktive, gestresste ältere Schwester.
Obwohl Frau Hartmann versprochen hat, am späteren Abend vor Ort zu sein, um den Datenstick entgegenzunehmen, ist im Kongresshaus alles dunkel. Sie ist auch auf ihrem Handy nicht zu erreichen.
Wütend und ausgelaugt radelt Sam in ihre Wohnung.
Hendrik Rosen ruft an und bittet um ein Treffen. Sam verneint und legt auf.
Ihr Vater ruft an und fragt, ob Sam es opportun findet, wenn er zur Vernissage kommt.
»Verdammt, Dad, das musst du wirklich selbst wissen.«
»Victoria bringt mich um, wenn ich nicht komme.«
»Na, dann ist ja alles klar.«
»Das ist nicht witzig, Sam. Deine Mutter wird auf der Vernissage so tun, als wenn nichts wäre. Auf glückliche Familie machen.«
»Hat sich ihr Zusammenbruch in der Künstlerklause nicht herumgesprochen?«
»Doch. Aber nicht der Grund dafür. Sie verbreitet in der Stadt das Gerücht, sie hätte eine Grippe verschleppt.«
»Dad, ich kann mich darum nicht auch noch kümmern. Ich gehe davon aus, dass die ganze Familie antanzt. Okay?«
»Na, dann.« Robert legt auf.
Sam tut es leid, dass sie so kurz angebunden ist. Sie sehnt sich danach, mit ihrem Vater zu reden, bei einem Glas Wein, harmonisch wie eh und je.
Pfff, harmonisch, denkt sie. Sie drückt zwei weitere Anrufe von Hendrik Rosen weg und fragt sich, ob das klug ist. Am liebsten hätte sie es, wenn die Vernissage schon vorbei wäre. In einem Augenzwinkern. Jetzt die Zeit zwei Wochen vordrehen … Sam seufzt.
Am nächsten Morgen, bevor sie zu Luna ins Atelier geht, bringt sie den Datenstick zu Frau Hartmann. An deren Stelle sitzt eine Assistentin im Büro, die hoch und heilig versprich, sich darum zu kümmern, dass die Installation läuft.
Victoria ruft wenige Tage vor der Vernissage an.
»Du kennst mich nicht mehr, mag sein. Ich bitte dich nur um eins, Sam: Die Vernissage muss gelingen.«
»Nicht nur die Vernissage, Mutter«, erwidert Sam. Sie ist vor fünf Minuten heimgekommen. Ihre Augen brennen von der Feinarbeit an einer Kostümjacke, die sie nach Lunas Vorschlägen umgearbeitet hat. »Die ganze Ausstellung wird ein Erfolg werden.«
»Hoffentlich.«
»Wohnst du immer noch im Hotel?«
»Sicher.«
Sam wartet. Sie wünscht sich beinahe, dass Victoria noch etwas hinzufügt. Dass sie reden können. Ihre Mutter indes beendet das Gespräch kühl und geschäftsmäßig. Ratlos geht Sam unter die Dusche. Lange prasselt das heiße Wasser auf ihre Schultern.
Als sie aus der Dusche steigt und ihr Haar kämmt, gehen ihr die langen Strähnen auf den Geist. Alles an ihr geht ihr auf den Geist. Sie hat nichts anzuziehen für die Vernissage. Sie wird Journalisten gegenübertreten müssen, Interviews geben, von der High Society Coburgs und der Kunstwelt angestarrt werden. Eine Designerin, die nichts anzuziehen hat?
Das Frotteetuch um die Brust geschlungen, durchwühlt sie ihren Kleiderschrank.
Sie ruft Luna an.
»Gehst du morgen mit mir shoppen?«
»Spinnst du? Ich werde dich keine Kleider von der Stange tragen lassen!«
»Huch?« Bass erstaunt starrt Sam den Telefonhörer an, als könne der eine Erklärung abgeben.
»Morgen früh um neun bin ich bei dir. Verlass dich drauf.«
Sam schenkt sich ein Glas Wein ein. Sie schaltet zum ersten Mal seit Wochen den Fernseher ein und sieht eine Talkshow, einen harten Krimi und die Spätnachrichten hintereinander. Endlich nickt sie ein.
*
Wie versprochen steht Luna am nächsten Morgen vor Sams Tür. Sie hält einen Kleidersack und
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