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getroffen.«
»Warum?«
»Um herauszufinden, worauf er aus ist. Sam, ›Artes‹ ist ein einflussreiches Magazin, das in mehreren Ländern erscheint. Sammler und andere Kunstbesessene orientieren sich an dem, was die Zeitschrift vorgibt.«
Sams Blick gleitet über Blancas Haus. Im Wohnzimmer ist Licht. Die Terrassenlampe jedoch ist ausgeschaltet. Sie steht mit Roman im Schatten der Sträucher. Plötzlich bekommt sie Angst. Werden sie belauscht? Verfolgt? Worum geht es hier überhaupt?
»Loredan hat davon geredet, das ›Täubchen abzuschießen‹«, flüstert sie. »Ich gehe davon aus, dass er Grace meint. Also Eleni. Aber warum abschießen, wenn er sie selbst vertritt? Das wäre wirklich kontraproduktiv.«
»Für ihn nicht. Jeder Skandal steigert den Marktwert. Man muss es geschickt einfädeln, damit nachher …«, Roman senkt die Stimme und sieht sich um, bevor er weiterredet, »… damit nachher, wenn der Eklat vergessen ist, der Marktwert höher bleibt, als er zuvor war. So funktioniert die Promipresse!«
»Lass uns reingehen«, flüstert Sam. Ihr ist unheimlich im Dunkeln.
»Loredan rechnet damit, dass Eleni nicht mehr lang im Rampenlicht steht. Er will noch einmal richtig absahnen, verstehst du? Aber deine Familie wird dabei in den Abgrund gerissen. Ich habe das etliche Male miterlebt. Und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht immer unbeteiligt war, wenn die Katastrophen über das Privatleben der Leute hereingebrochen sind.«
»Können wir es denn verhindern?«
»Wir müssen Eleni davon abhalten, dass sie zur Vernissage kommt. Sie muss untertauchen, bis sich alles beruhigt hat.«
»Du meinst, wir jetten jetzt in ihr Hotel und sprechen vor: Liebe Grace May, wir wissen, dass Sie es sind, und könnten Sie bitte Europa für eine Weile verlassen?« Sprachlos sieht sie Roman an. »Nebenbei bin ich Ihre Tochter, falls Sie in der Zwischenzeit vergessen haben, dass Sie mal schwanger waren.« Die Tränen purzeln über ihre Wangen.
»So in etwa hätte ich es mir gedacht. Das wäre tatsächlich die beste Lösung, Sam!« Er wischt ihr mit dem Zeigefinger ein paar Tränen weg.
Sam denkt an ihr kunstvolles Make-up und wie daneben die ganze Schminkerei ist, wenn man anfängt zu heulen.
»Dumm nur, dass Rosen im selben Hotel wohnt. Und deine … also Victoria auch«, fährt Roman fort.
Sam hebt beide Hände. »Okay. Ich kapier’s. Aber lass uns erst kurz reingehen. Ganz so schlimm wird es schon nicht kommen. Ich will Blanca sehen.«
»Gut. Auf einen Grappa.«
»Du Spinner!« Sie boxt Roman die Schulter.
Sie hat sich getäuscht. Es kommt immer schlimmer als gedacht.
61
Carsten Will hat diese dämlichen Äcker geerbt. Er kann überhaupt nichts damit anfangen. Er ist Softwareentwickler und längst quer durch die Welt für seine Firma unterwegs. Nach Oberfranken kommt er selten. Um seinen Stammtisch zu treffen, seinen Ex-Stammtisch genauer gesagt; und um nach dem Rechten zu sehen.
Sie ziehen ihn alle auf, seine Kumpels. Weil er Ländereien besitzt. Die stellen sich das so toll vor! Aber was macht er mit den Äckern? Er will nicht verpachten, er will verkaufen. Trotz Krise hat er keinen Bock mehr, sich bei Holzbruch, Borkenkäfern oder anderem Mist um seine Latifundien zu kümmern, auf die sein Vater zu seinen Lebzeiten sehr stolz war.
Sorry, Paps, die Zeiten ändern sich, denkt Carsten, als er seinen Mietwagen die B 22 entlang steuert.
Wozu soll er Geld für Grundsteuer und einen Verwalter verschwenden, der alle paar Monate anruft und ansonsten dankend seine Kohle einstreicht? Irgendwie hat er das ungute Gefühl, dass die Ländereien wie eine Eisenkugel an seinem Bein hängen. Er will eigentlich gar nicht mehr nach Oberfranken zurück. Er will sich was in Kanada kaufen. Da zieht es ihn hin! Wahrscheinlich schickt ihn sein Konzern ohnehin im nächsten Winter nach Vancouver. Davon hat er geträumt, von endloser Weite, nicht von drangvoller Enge.
Sein Verwalter hat ihm vor Wochen von dem Unfall berichtet. Ein Kleinwagen hat sich in einen von Carstens Äckern gebohrt. Zum Glück ist nichts weiter passiert, aber es gab natürlich einen riesigen Aufstand, Polizei, Versicherung, und aus Gründen, die Carsten gleichgültig sind, sind irgendwelche Papiere im Nachgang des Unfalls auf dem Tisch seines sogenannten Verwalters gelandet.
Pah, Verwalter, denkt Carsten. Rolf Körber wohnt nicht weit weg von Carstens Feldern und war mehr oder weniger schnell zu überreden, sich um fremde Äcker zu kümmern.
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