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Sonnenschein. Ein Goldkind, so nannte dich Victoria. Ein Kind, das bald durchschlief, nie kompliziert war, selten krank.«
Sam beißt sich auf die Unterlippe. Schon als Säugling hat sie sich angepasst. Ob es genetisch bedingt ist? Gibt es ein Anpassungs-Gen, das Menschen pflegeleicht macht?
»Victoria und Grace fuhren nach Griechenland. Den Fortgang dieser Geschichte kennst du. Ich schwöre dir, Sam: Bis Roman mit seiner Interpretation kam, habe ich nie damit gerechnet, dass Grace noch am Leben sein könnte. Victoria hat das genauso wenig für möglich gehalten. Isaac hat es gehofft, sich verzweifelt an so eine unwahrscheinliche Idee geklammert: Dass sein Liebling irgendwie überlebt hat. Irgendwo im Meer von einem Frachter an Bord genommen worden ist. Er dachte sich die wirrsten Geschichten aus. Dass er um die Polizeiprotokolle nachgesucht hat, wusste ich nicht.« Blanca reibt sich die Augen. »Du wurdest älter, Sam. Natürlich fiel allen bald auf, dass du Grace unverschämt ähnlich siehst. Dein Großvater starb. Und wir beschlossen, dir nicht zu sagen, dass Victoria eigentlich deine Tante ist. Dein Bruder Igor kam zur Welt. Schließlich Nikolaj. Du solltest in eine intakte Familie hineinwachsen. Victoria hat sich das gewünscht. Sie hat immer für dich gesorgt, Sam. Sie hat dich nicht anders behandelt, als sie eine leibliche Tochter behandelt hätte.«
»Ja, das weiß ich.« Sam schluckt. »Sie hat mich Igor und Nikolaj weder vorgezogen, noch mich vernachlässigt. Im Prinzip wollte sie wirklich für jeden das Beste. Nur die Wahrheit durfte ich nicht wissen.«
»Es ging immer um dich, Sam. Aber Victoria scheint sich durch das große Schweigen einen weiteren Vorteil erkauft zu haben: eine Basis für ihr künstlerisches Schaffen.«
»Grace’ Bilder als ihr großer Schatz. Der eine ganze Karriere getragen hat.« Sam schüttelt den Kopf. Das alles ist zu viel. Es wird Monate dauern, bis sie all diese Enthüllungen halbwegs verkraftet hat. »Wann habt ihr gemerkt, dass Robert mein Vater ist?«
Blanca lacht auf, während sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischt.
»Robert war oft bei mir, nachdem ich nach Isaacs Tod allein in Grace’ riesigem Haus saß. Ich musste so vieles lernen und regeln. Papierkram hatte mir Isaac immer abgenommen. Also half Robert aus, kümmerte sich zudem um notwendige Reparaturen. Wann immer ich ihn brauchte, war er da. Eines Tages haben wir, nachdem er im Bad etwas für mich gerichtet hat, ein Glas Wein zusammen getrunken. Und er fragte mich: ›Hast du mal Sams Hände gesehen?‹ Du warst damals ungefähr 14, Sam.«
Sam schaut ihre Hände an. Verräter, denkt sie dankbar.
»Ich habe ›ja‹ gesagt. Ich hatte es tatsächlich gemerkt. Und Robert fragte: ›Du weißt es also?‹ – ›Ja, ich weiß es‹, habe ich ihm geantwortet. Darauf Robert: ›Victoria weiß es nicht.‹ Und ich: ›Dann ist es wohl besser, wenn es so bleibt.‹«
»Das war alles?«
»Ich hätte dir längst alles sagen können, Sam. Du bist erwachsen. Aber man richtet sich mit Lügen ein. Man verwebt sie so mit dem eigenen Leben, dass sie irgendwann die eigentliche Substanz zu sein scheinen.«
Sam steht auf und legt Blanca die Arme um die Schultern. Sie drückt ihr Gesicht in Blancas Haar und riecht den vertrauten Duft. »Es ist okay«, flüstert sie. »Es ist okay.« Sie wiegt Blanca hin und her. Roman und Luna sind vergessen.
Bis Luna sich räuspert und sagt: »Vielleicht hat es Victoria immer gewusst und nur nichts gesagt.«
Sam richtet sich auf. Ihre Hände liegen auf Blancas Schultern.
»Mag sein«, antwortet ihre Großmutter schlicht.
»Jetzt, Blanca«, hebt Sam an, »ist das Lügengebäude ins Wanken geraten. Was, wenn wir richtig liegen und Grace noch lebt?«
»Es mag unwahrscheinlich klingen. Ich habe diese Möglichkeit zwar für hirnrissig gehalten, aber tief im Inneren darauf gehofft. Ich habe Angst, Grace zu sehen. Ich habe Angst vor dem, was sie dazu bewogen hat, nicht zurückzukehren. Aber im Grunde kenne ich die Antwort.«
»Es war wegen ihres Vaters!«, stellt Luna fest.
Blanca nickt. »Richtig, Luna. Isaac war besessen von Grace und der Karriere, die er sich für sie wünschte. Sie hätte sich ihm nie entziehen können.«
*
Roman fährt spät in der Nacht heim nach Meeder. Luna experimentiert weiter im Atelier, als Sam und Blanca längst auf dem Futon liegen, der als Gästebett dient. Sam kuschelt sich an ihre Großmutter. Es ist ein Segen, diese Stunden mit Blanca zu
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