Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
B00DJ0I366 EBOK

B00DJ0I366 EBOK

Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
zusammen.
    »Willkommen, Apokalypse«, sagt Blanca. »Was meinst du, Sam: Wenn man sich umbringen wollte, könnte man in den Regen hinauslaufen und sich vom Blitz treffen lassen?«
    »Ich denke, man würde nicht getroffen. Das Schicksal mag es ironisch«, erwidert Sam. Sie freut sich, dass Blancas schwarzer Humor zurück ist. In stummer Einigkeit beobachten sie das Naturspektakel. Lucienne kommt näher und macht sich über ihr Futter her.
    Da ertönt ein furchtbarer Donnerschlag. Sam und Blanca zucken beide zusammen. Lucienne rennt mit einem angewiderten Fauchen davon. In der Küche wird es dunkel.
    »Verdammt!«, flucht Blanca.
    »Es hat irgendwo eingeschlagen.« Sam dreht sich um. »Hoffentlich legt der Blitz nicht das ganze Stromnetz lahm.«
    »Wir leben in Deutschland, Schätzchen. Hier wird alles umgehend mit höchster Effizienz auf Vordermann gebracht. Kannst du mal in das oberste Fach greifen? Dort sind Kerzen und Streichhölzer.«
    Sam klettert auf ihren Stuhl. Sie tastet mit der flachen Hand durch das Schrankfach. Eine Serie von Blitzen taucht die Küche für Momente in grelles Discolicht. Sams Stuhl kippt. Beherzt springt sie auf den Boden. Mit einem Poltern fällt der Stuhl um.
    »Was war das?« Blanca steht stocksteif da.
    »Ich bin aus dem Gleichgewicht geraten, ich …«
    »Nein. Das Geräusch.«
    »Der Stuhl ist umgefallen«, erwidert Sam zögernd.
    Dann hört sie es auch. Ein Wummern an der Eingangstür. Die beiden Frauen blicken einander an.
    »Ein interessanter Morgen«, bemerkt Blanca trocken. »Besser als jede ›Zu erledigen‹-Liste.«

32
    Besessen von dem Wunsch, die verräterischen Aufnahmen ein für allemal loszuwerden, steuert Victoria den Wagen über die B 22. Der Umschlag mit den Fotos, den sie heute Morgen aus dem Schließfach in der Würzburger Bank geholt hat, liegt neben ihr auf dem Beifahrersitz. Dichter, schwerer Regen fällt. Victoria ist nervös. Sie muss sich ständig zwingen, die Geschwindigkeitsbeschränkungen einzuhalten, rauscht trotzdem viel zu schnell durch Ebrach. Gott sei Dank ist bei dem lausigen Wetter niemand unterwegs, denkt sie.
    Die Straße wird schmaler und dunkler. In einer Kurve rutscht das Kuvert vom Sitz in den Fußraum.
    Victoria ist getrieben von Angst, Wut und Ungeduld. Heute Nacht hat sie beschlossen, die Fotos zu vernichten. Sie weiß nur noch nicht, wie. Sie hat die halbe Nacht gegrübelt. Robert kam spät, und sie lag schon im Bett. Sie haben getrennte Zimmer. Sie stellte sich schlafend, sodass Robert nicht mehr hereinkam, sondern sich auszog, duschte und schließlich in seinem Zimmer schlafen ging.
    Seit Sam mit dem Foto kam, kann Victoria nicht mehr malen. Es ist, als streikten ihre Arme, wenn sie ein Stück Weidenholzkohle in die Hand nimmt. Statt des Umschlages mit den Fotos hat sie ihr Skizzenbuch im Schließfach der Bank untergebracht. Das muss reichen.
    Sie wird 60, verdammt, wie viele Jahre bleiben ihr für die Kunst? Sie muss sich nichts mehr beweisen, ihre Karriere, ihr Ruf und ihr Werk sind im Großen und Ganzen gefestigt. Sie hat es nie in die wirklich großen Kunsthallen der Welt geschafft, aber sie ist keine Unbekannte in der Branche, und damit ist sie weiter avanciert als die meisten, mit denen sie studiert hat.
    Und natürlich weiter als Grace. Victoria lächelt. Ein Lächeln, das sich gemein anfühlt.
    Grace ist tot. Sie hatte keine Chance, berühmt zu werden.
    Victoria lenkt den Wagen durch den Wald. Der Himmel hängt tief, an den Hängen kleben graue Wolken. Soll sie die Fotos zerreißen, schreddern, in ein Säurebad tauchen? Blitze zucken am Horizont. Sie ist früh losgefahren, ohne zu frühstücken. Das ist nicht ihre Art, aber die Nervosität und der vibrierende Zwang, die Sache mit den Fotos, die sie so lange aufgeschoben hat, zu erledigen, haben sie angetrieben.
    Der Regen wächst sich zum Wolkenbruch aus. Die Tropfen werfen enorme Blasen auf dem Asphalt. Gleichzeitig wird es finster. Der Donner, gerade eben ganz von fern zu hören, rückt näher.
    Victorias Anspannung wird stärker.
    Was mache ich hier?, fragt sie sich.
    Ich tue es für Sam. Um Sam zu schützen. Sie gehört zu mir und ich habe die Verantwortung dafür, dass sie nichts erfährt. Dass ihr Leben nicht zerstört wird durch etwas, wofür sie nichts kann.
    Mag sein, dass die Jungs Victoria näher sind, Igor ohnehin und auch Nikolaj, aus Gründen, die niemand in Frage stellen wird, aber sie will Sam schützen.
    Schon damals, als sie allein aus Griechenland

Weitere Kostenlose Bücher