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nicht so ausdrücken? Das Leben ist ein steter Kompromiss!« Fast flehend sieht Victoria Sam an.
Als wenn Mutter je ein Typ für Kompromisse gewesen wäre, denkt Sam.
»Was weißt du von John Carrick?«, wechselt sie das Thema.
»Er ist ein alberner Gigolo. Er war in Grace verliebt. Sie war diejenige von uns beiden, für die die Männer sich interessierten. Nur bei deinem Vater, da hatte ich mehr Glück.«
Sam wird das Herz schwer. Plötzlich tut Victoria ihr leid. Sie weiß nichts von Eva. Und wenn sie etwas ahnt, verleugnet sie es. Auch das würde zu Victoria passen.
»Er hat die Fotos und eine ziemlich klare Auffassung darüber, was du mit ihnen angestellt hast.«
»Ich? Mit den Fotos?«
»Himmel, Mutter! Grace hat die Abzüge nach Hause geschickt. Du hast sie vorgefunden, sobald du zurück in Coburg warst, an dich genommen und ein Bild nach dem anderen in x Varianten neu gemalt, bis jedes einzelne zu deinem Werk geworden war! Halte mich nicht für blöd! Aus dem Gedächtnis hättest du die Bilder nie so deutlich nachmalen können.«
»Also ist Carrick an allem schuld.«
»Unsinn. Carrick kann, selbst wenn ich stillhalte, die Ausstellung platzen lassen. Er kann eine Bombe so geschickt legen, dass sie genau im richtigen Moment hochgeht. Er kann wichtige Leute aus der Szene vorab informieren. Er kann Gift spritzen, wo und wie er will! Er hat alles in der Hand!«
Victoria legt einen Geldschein auf den Tisch.
»Das werde ich zu verhindern wissen.«
39
Sie sitzen im Miles and More in der Johannisgasse. Das Restaurant ist gesteckt voll. Einen Tisch weiter lockern vier Männer ihre Krawatten und machen sich bereit, die Sau rauszulassen.
Sam hatte nach dem Gespräch mit Victoria weder Zeit noch Nerven, sich umzuziehen. Luna hingegen sieht umwerfend aus. Sie hat eine künstliche Pfauenfeder in ihr rotes Haar geclipt, Lippenstift aufgetragen und ein dunkelgrünes, tief ausgeschnittenes Samtkleid angezogen. Dazu trägt sie grüne Stiefeletten, die mit roten Satinbändern geschnürt sind. Sam in Jeans und Cardigan kommt sich vor wie eine graue Maus. Natürlich nimmt sie Romans Blicke wahr, die eine ganze Weile Lunas Körper entlanggleiten. Unversehens versteht sie ihre Mutter. Sie versteht den Zorn, in der zweiten Reihe zu stehen. Einen Zorn, der sich auf die Strahlendere richtet und zugleich auf einen selbst, weil man wenig Glanz zu bieten hat und sich dafür verachtet.
Sie bestellen Zanderfilet und eine Flasche Silvaner. John macht Bemerkungen über den Frankenwein, den er gerade zum ersten Mal probiert. Er wohnt in Mailand, erzählt er, weil er Italien liebt und sich in den USA längst wie ein Fremder fühlt. Sam hört die Unterhaltung dahinplätschern. Sie hat Zeit, Roman zu beobachten, der aufmerksam auf alles eingeht, was John sagt, aber ab und zu einen Blick auf Sam wirft. Und einen auf Luna.
Sam entschuldigt sich. Sie geht zur Toilette. Löst das Haargummi, schüttelt ihr Haar aus. Sie kann es heute Abend nicht offen tragen, es fällt unmöglich, ist überhaupt zu lang, zu langweilig, rausgewachsen und an den Spitzen fisselig. Sie glättet die Strähnen mit Wasser und bindet sie wieder zum Pferdeschwanz hoch.
Romans Gesicht hellt sich auf, als Sam zum Tisch zurückkommt. Er lächelt verschwörerisch. John ist in eine angeregte Konversation mit Luna verwickelt.
Das Essen kommt. Erst als alle satt sind, die Teller abgeräumt sind und eine frische Flasche Wein im Cooler steht, fragt Sam:
»John, wer ist eigentlich der Mann, der das Foto gemacht hat, auf dem man Sie im Hintergrund sieht? Sie wissen schon, das mit den beiden May-Schwestern. Griechenland 1982.«
John tupft sich die Lippen ab. Roman gießt Wein nach. Luna lehnt sich zurück und spielt mit ihrer Serviette.
»Er hieß Kostas.«
Sam wartet. Eine eigentümliche Spannung legt sich über die vier Menschen am Tisch. Kurz hat sie den Eindruck, die Antworten auf alle Fragen lauern in den Ecken des Restaurants, wo sie tuscheln und sich winden und nicht ans Licht gezerrt werden wollen.
»Wir lernten ihn in Akrokorinth kennen. Er war einer jener Griechen, die dort herumlungerten und ahnungslose Touristen zu horrenden Preisen durch die Ausgrabungen führten. Mittlerweile geht das nicht mehr. Alles ist umzäunt, es gibt autorisierte Guides, alles standardisiert. Wir handelten Kostas’ Preis herunter, er zog ein paar Tage mit uns herum. Einmal wollte er unbedingt von den Schwestern ein Foto machen. Ich gab ihm meine Kamera, blieb aber im Auto
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