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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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es um etwas Subtileres geht.
    John Carrick, schießt es ihr durch den Kopf. Hat er die Karte unter ihrer Tür durchgeschoben? Zeit dazu hätte er gehabt.
    Nur: Warum sollte er das tun?, zerbricht Sam sich den Kopf. Er hatte mehr als genug Gelegenheit, ihr von Angesicht zu Angesicht von Eleni Tsiadis zu berichten. Es brauchte keine anonyme Karte.
    Wer dann?
    Sam tastet in der Handtasche nach ihrem Handy. Normalerweise wäre es ihr peinlich, am späten Abend mit der Tür ins Haus zu fallen, bei Nachbarn, die sie kaum kennt. Aber sie hat Angst. Sie ist zermürbt. Irgendwo tief in ihrem Inneren ist sie überzeugt, dass die Person, die ihr die Karte geschickt hat, genau das beabsichtigt: sie zu zermürben.
    Jenny Mohr lebt in der Wohnung unter Sam. Sie ist alleinstehend, ein paar Jahre jünger als Sam. Nach zweimaligem Klingeln geht sie an den Apparat.
    »Mohr?«
    »Hallo, hier spricht Sam May.«
    »Hallo.« Jennys Tonfall schwankt zwischen Überraschung und Gereiztheit.
    »Ich wollte Sie etwas fragen. Gestern, hat da jemand für mich Post abgeben wollen? Es ist nämlich so«, Sam lacht verlegen, »ich wohne eine Weile bei meiner Großmutter. Sie hatte einen Schlaganfall.«
    »Gestern? Stimmt, da hat jemand geklingelt. Am späten Nachmittag. Wollte Ihnen was reinreichen.«
    Sam bricht der Schweiß aus.
    »Wer war das?« Sie hofft inständig, dass Jenny ihre Panik nicht heraushört.
    »Ein Mann, sah schick aus. Blauer Anzug, gut geschnitten, hatte eine Umhängetasche von Eastpak über der Schulter.«
    »Hat er irgendwas gesagt?«
    »Gesagt, naja …« Im Hintergrund rauscht etwas. »Er meinte nur, er wollte etwas für Sie reinreichen. Ich bot ihm an, es zu nehmen, aber er sagte, es wäre eine Einladung, ein ganz flacher Umschlag, und der würde wohl unter der Tür durchpassen. Er wedelte mit einem Kuvert. Ich dachte mir nichts dabei. Er stiefelte die Treppen hinauf zu Ihrer Wohnung und kam kurz darauf wieder runter.«
    »Alles klar.« Sam presst die Lippen aufeinander. »Wie alt war der Mann, was schätzen Sie?«
    »Ach, jung, keine 30. Wie gesagt, ein eleganter Typ, ausrasierter Nacken, strohblond. Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Doch, doch!« Hastig sucht Sam nach einer Erklärung für ihre Fragen. »Ich … es hat eine Verwechslung gegeben und ich bin am Aufklären. Danke. Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Wie lange bleiben Sie bei Ihrer Großmutter?«, fragt Jenny arglos.
    »Eine gute Weile.« Sam legt auf, ehe Jenny noch etwas sagen kann. Nachdenklich steigt sie die Stufen der nächsten Kanalbrücke hinauf. Oben lehnt sie sich an die Brüstung und sieht in das schwarze Wasser hinab. Lautlos gleitet eine Gondel unter der Brücke hindurch. Ein älteres Paar sitzt darin, eng umschlungen, der Gondoliere hat eine Hand am Riemen, mit der anderen tippt er wie rasend eine SMS. Die romantischen Gefühle seiner Fahrgäste scheint er damit nicht zu stören.
    Aufmerksam lässt Sam den Blick schweifen.
    Ein junger Mann mit einer Schultertasche und ausrasiertem Nacken hat das Kuvert unter der Tür durchgeschoben. Jenny Mohr besitzt eine gute Beobachtungsgabe oder sie ist auf Männersuche. Sam ist einfach erleichtert, dass definitiv nicht John den Umschlag vorbeibrachte. Es hätte mein Weltbild gestört, denkt Sam. Ich traue es ihm schlicht nicht zu, gemein zu sein.
    Sie passiert das Gabrielli Sandwirth, als sie von fern Roman zurückkommen sieht, seine Leica im Anschlag. Ihr Herz macht einen kleinen, schüchternen Satz.
    Roman legt die Arme um sie und drückt sie kurz an sich.
    »Hier residiert Eleni Tsiadis!« Er weist auf die hell illuminierte Fassade des Hotels. »Schicker geht’s in Venedig nicht.«
    Es muss an all den Geschichten liegen, die in den dunklen Winkeln der Lagunenstadt lauern, dass sie dieses dumme Gefühl, den Abdruck fremder Augen auf ihrem Körper, nicht los wird.

46
    Eleni sitzt in einem Liegestuhl auf der Terrasse des Gabrielli Sandwirth und atmet tief den Duft der Glyzinien ein. Sie trinkt ihren Sprizz in kleinen Schlucken. Das Eis klirrt in dem dünnwandigen Glas, als sie es leicht hin und her schwenkt. Auf dem Tischchen neben ihr liegen Zeitungskritiken und Kommentare zur Ausstellung. Eleni hat wenig Interesse an ihnen. Sie kann mit den verschwurbelten Sätzen der Feuilletonisten nichts anfangen. Dass ihre Kunst ein Aufschrei ist, der Jubel einer Frau, die den Tod gesehen hat, ihm jedoch entrissen wurde, das weiß sie selbst und das wäre, wenn sie ehrlich ist, die einzige Erläuterung ihrer Bilder,

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