B00G7SVP3K EBOK
jenes geheimnisvollen Unbekannten lotst e, der den Qualitäten eines Überraschungs-Eies in nichts nachstand. Alles fauler Zauber!
„ Himmel, wie einfältig war ich nur!“, dachte ich ernüchtert.
Wegen diesem Mann hätte ich mir keine Gegenstände in den Mund schieben oder mich mit Holunderschnaps zu Boden saufen müssen. D ieser Kerl, der mich immer noch fieberhaft anstarrte und auf eine Antwort wartete, wäre mir auf ganz konventionelle Art begegnet. Die finanzielle Not hätte mich zwangsläufig zu einem schicksalhaften Wiedersehen veranlasst. Denn ich hatte vor, den Schmuck von Kunigunde zu verhökern. Mir blieb nicht anderes übrig, da sich in den letzten Jahren auf meinem Konto ein beträchtlicher Minusbetrag angesammelt hatte, den Hugo und meine Mutter durch ihre Verschwendungssucht zu verantworten hatten.
Das Bücherparadies gehörte zwischenzeitlich mir, so dass ich logischerweise auch die finanzielle Verantwortung trug. Jedoch hatte meine Mutter nach wie vor alle Kontovollmachten.
Trotzdem war ich dem irdischen Zufall sehr verbunden, mir mit einer derartig einfallsreichen Konstellation unter die Arme zu greifen.
Wieder einmal, schien ich Glück zu haben, das ich diesmal aber sehr zu würdigen wusste, denn schließlich hatte mein Gegenüber gleich drei Dinge auf einmal zu bieten: Er war attraktiv! Er war reich! Er war frei!
Ersteres raubte mir den Verstand.
Zweites beruhigte meine Nerven.
Und Letzteres war von nun ab hinfällig.
Ich lächelte vielsagend und antwortete endlich auf seine Frage.
„ Natürlich erinnere ich mich an Sie. Sie heißen Melchior Sperling, und ihr Vater hat mich seinerzeit für eine kleine Diebin gehalten, nicht wahr?“
Melchior lachte erleichtert auf und war sichtlich beeindruckt darüber, dass ich mich noch an seinen Vornamen erinnern konnte.
Wieder nahm er meine Hände in die seinen, streichelte gedankenverloren mit seinem Daumen über meine Finger und zog sie zärtlich zu seinen Lippen. Ich sah nur noch seine Augen, die mich verwegen anhimmelten und sich wie von Zauberhand um eine Farbnuance erhellten. Gebannt folgte ich den unruhigen Farbreflexen und starrte ihn an, als würde ich in einer Glaskugel meine Zukunft sehen.
Ja, ich sah es ganz deutlich. Ein ganzes Dutzend! Meine ungeborenen Kinder ! Die mit ihren Kindermädchen im Kreis herumtobten und mir fröhlich zuwinkten.
„ Was denkst du gerade, Luisa?“, fragte Melchior leise und beugte sich neugierig über den Tisch.
„ An Präriewühlmäuse!“, antwortete ich prompt.
„ Die können vierzig Stunden lang miteinander Sex haben und sind sich ein Leben lang treu. Kannst du das auch?“
Melchior erschrak, weil Eukalyptus auf den Tisch sprang und mit seiner Lakritzstange zwei Gläser vom Tisch fegte. Er zog die Aufmerksamkeit aller Gäste auf sich, so dass ich es für ratsamer hielt, langsam aufzubrechen.
Melchior begleitete mich bis zu meinem Auto, öffnete mir die Fahrertür und verabschiedete sich mit einem Handkuss. Im Rückspiegel konnte ich sehen, wie er mir eine geraume Zeit nachwinkte.
„Du blöder Affe!“, fluchte ich und riss Eukalyptus wütend die Lakritzstange aus der Hand und schlug ihm damit auf den Hut. Kannst du dich nicht besser benehmen! Wegen dir habe ich keine Antwort auf meine Frage bekommen!
Zu Hause angekommen, freute ich mich über einen Brief meiner Schwester. Sie teilte mir mit, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ginge, dass sie eine bittere Enttäuschung zu überwinden hatte und aufgrund dessen, am Boden zerstört war. Ich war nicht besonders stolz darauf, dass sich meine damalige Prophezeiung erfüllt hatte. Die große Liebe, die ihr einst ihr damaliger Freund Thomas Müller schwor, entpuppte sich als nicht belastbar. Er hatte sich in eine andere verliebt.
Glücklicherweise war Rosalie nicht daran zerbrochen, denn sie erwähnte in ihren Zeilen auch, einen neuen Freund, den sie beruflich kennengelernt hatte und der um einiges älter sei als sie. Das klang zwar in meinen Ohren nicht glücklich, aber vernünftig.
Ich freute mich für sie und war eigentlich guter Dinge. Aber so schnell wie sich mein Gesicht erhellte, so rasant verdüsterte es sich wieder, und tiefe Furchen formten mein Antlitz zu einer Maske des Grauens, als ich die Nachricht von Hugo und meiner Mutter las, die sie auf dem Küchentisch hinterlegt hatten.
Liebe Luisa,
haben uns spontan für einen Kurzurlaub nach Venedig entschlossen. Wir möchten unbedingt das „Teatro la Fenice“ besuchen
Weitere Kostenlose Bücher