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meine Provokationen als positives Indiz für meine Zuneigung wertete. Aber manchmal hatte ich den Verdacht, dass er meine Spielchen genoss.
So mochte ich es zum Beispiel ganz und gar nicht, wenn ich auf dem Sofa saß und er vor mir kniete und seinen Kopf in meinen Schoß schmiegte. Das war mir alles viel zu devot. Anfangs habe ich ihn noch über den Kopf gestreichelt, aber später, habe ich mich einfach zurückgelehnt und ihn unangetastet liegen lassen. Wogegen ich absolut nichts dagegen einzuwenden hatte, wenn er mich vor allen Leuten mit meinem Kosenamen ansprach. Er nannte mich Elsterchen, und für mich war diese Verhohnepiplung völlig korrekt. Allerdings wäre es mir nicht im Traum eingefallen, ihn im Gegenzug als Spatz zu bezeichnen. Nein, um Himmelswillen. Für mich hatte diese Verniedlichung den Stellenwert einer Kastration. Vermutlich liebte mich Melchior mehr als mir lieb war. Jeden Abend, wenn wir zu Bett gingen zog er demonstrativ eine dieser Taschenuhren von Kunigunde auf, so als wolle er mir damit beweißen, dass er mein Erbe in Ehren hielt. Anschließend küsste er mir zärtlich auf meine Wange und sagte:
„ Ich liebe dich Elsterchen.“
Elsterchen riss dann gähnend ihren Schnabel auf und piepste:
„Ich mich auch.“
Umso verwunderlicher, dass Melchior mich nicht aus seinem feudalen Nest warf. Stattdessen sprach er auffallend häufig das Thema Familiengründung an. Er machte mir nicht direkt einen Antrag, sondern fragte mich, was ich von einer Hochzeit halten würde. Mit Kutsche, Pferden und einem wallenden Brautkleid. Dieses Thema war für mich genau so unangenehm wie ein Holzsplitter im Zeh.
„Nichts!“, antwortete ich darauf. „Ist mir alles viel zu kitschig.“
Damit hoffte ich, zumindest für einige Zeit , an Galgenfrist gewonnen zu haben. Denn ich benötigte die Zeit dringend, um meine Gefühlsverwirrungen in den Griff zu bekommen. Ich wollte mir aus tiefsten Herzen sicher sein, bevor ich mit Melchior den Schritt vor das Standesamt wagte. Keine Kompromisse eingehen, mich nicht der Bequemlichkeit fügen, oder gar mit dem Aspekt der Versorgung liebäugeln. Ich war hin und her gerissen, schwebte zwischen Abneigung und Zuneigung. Ich wollte das Leben einfangen, bevor es davonläuft, dabei lag es mir bereits zu Füßen. Aber oft genug, fragte ich mich auch, ob ich nicht einfach nur eine Schraube locker hatte, und vor allem, woher ich diesen Schaden eigentlich hatte. Ich war mit einem Traumprinzen liiert, der interessant aussah, vermögend und intelligent war, mich auf Händen trug, meine Launen ertrug, ach, viel schlimmer noch, der mich scheinbar gerade deswegen liebte.
„ Vielleicht hatte der ja eine Schraube locker?“, dachte ich und entschied mich, die Zeit in der ich geliebt wurde, sinnvoll zu nutzen. Ich ging fremd! Eine therapeutische Zwangsmaßnahme sozusagen, von der ich mir versprach, dass sie mich mit dem bösen Erwachen strafte, damit ich das, was ich leichtsinnig bereit war aufs Spiel zu setzen, zu schätzen lernte. Oder eben auch nicht.
Dabei war ich bei der Auswahl meiner Therapeuten nicht besonders wählerisch. Ich nahm erst einmal das, was ich für verwertbar und unkompliziert hielt. Schließlich hatte ich meine Zeit nicht gestohlen. Zeit ist Erfahrung, und die hatte ich nicht zu verschenken.
So könnte sich zum Beispiel ein Quickie mit Luigi, dem leckeren Nudeldesigner, aus meiner Stammpizzeria als durchaus förderlich auf meine Genesung auswirken, hatte ich gedacht. Aber spätestens, als ich neben einem aufgetürmten Tellerhaufen auf der Spüle saß und ich mit meinem Gesäß auf den Tomatenmarkresten herumrutschte, meine Hände in den danebenliegenden Salatköpfen Halt suchten, weil Luigis Nudel sich als Nudelrolle entpuppte, war keine Heilung mehr in Sicht. Erst als der Tellerhaufen neben mir zusammenkrachte und mein Kopf unter dem Porzellanschutt begraben wurde, aber Luigi keinerlei Bergungsversuche unternahm, sondern sich ausgerechnet in dieser katastrophalen Situation aufbuckelte und wie ein Maultier aufquiekte, verspürte ich einen Ansatz von Reue.
Aber dieses Gefühl erwies sich leider nur als Streifschuss. Luigi empf ahl mich dann weiter… an Roberto, und Roberto weiter an Emilio, und Emilio meinte dann, dass er noch Verwandte in Sizilien hatte. Da wurde mir endlich klar, dass Melchior ja eigentlich einen Ruf zu verlieren, auf den ich gefälligst zu achten hatte, solange ich mit ihm offiziell zusammen war.
Deswegen disponierte ich um. Ich hielt es für
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