B00G7SVP3K EBOK
Appetit vergangen?“, fragte ich verwirrt. Wobei Thea dezent aufstieß und sich an den Hals griff, um nach ihren Perlencollier zu tasten.
„ Sind Sie vielleicht mit der Frau Elster verwandt, die in dem baufälligen Haus in der Rosshalde gewohnt hat?“
„ Ja, ja, das war meine Tante!“, erwiderte ich hoffnungsfroh gestimmt, dass sich jetzt endlich ein Gesprächsthema ergab, über das sich angenehm plaudern ließe. Deswegen hielt ich es für angemessen, meine Tante in den höchsten Tönen zu loben.
„ Meine Tante Kunigunde war eine sehr außergewöhnliche Frau, müssen Sie wissen. Sie verstand das Leben zu genießen und erfreute sich großer Beliebtheit“, klärte ich Thea auf, die weiterhin nervös an ihrer Kette nestelte und ihren Gatten mit einem herablassenden Blick bedachte.
„ Ja, das kann man wohl sagen. Sie erfreute sich großer Beliebtheit … auch bei meinem Mann ...“
„ Thea bitte!“, ermahnte sie Melchiors Vater gereizt.
„ Ach, gehörten Sie auch zu ihren Kunden?“, fragte ich ihn erstaunt.
„ Ha, ha, das kann man wohl sagen!“, höhnte seine Frau.
„ Nun, das würde mich nicht wundern, wenn sie ihre Dienste ebenfalls beanspruchten. Schließlich war meine Tante eine renommierte Wahrsagerin“, lenkte ich ein.
„ Sie war eine Hure!“, kreischte Thea und donnerte wutverzerrt die Faust auf den Tisch. „Ein Flittchen! Das ehrbaren Frauen die Männer abspenstig machte, um sich an ihnen zu bereichern!“
Ich schluckte tief beleidigt, während sich meine Federn wie bei einem aufgedrehten Sittich sträubten. Ich griff zu meinem Glas und leerte es, aber nicht in meine Kehle, sondern ins Gesicht dieser hysterischen Krähe.
„Das ist Verleumdung! Rufmord! Üble Nachrede!“, pfefferte ich zurück.
Melchior packte mich am Arm, zerrte mich aus dem Zimmer und sperrte mich im Gästeklo ein. Von dort aus konnte ich akustisch den weiteren Verlauf des Streits verfolgen. Ich bekam mit, wie Melchior seine Mutter für ihr Benehmen tadelte und sie dazu aufforderte sich bei mir zu entschuldigen.
„ICH! Nie im Leben! Die ist doch kein Deut besser als ihre Tante! Der Apfel fällt nicht weit vom Zweig!“
„ ...vom Stamm, Mutter“, verbesserte Melchior.
„ Die will doch nur an dein Geld, damit sie ihr Gefieder mit Geschmeide schmücken kann. Ich will nicht wissen was dein Vater, ihrer Tante damals an Schmuck geschenkt hat!“
„ RUHE!!! Halt endlich dein Schandmaul!“, hörte ich den Senior in einem Tonfall brüllen, der mich sogar in meinem Abstellklo zusammenzucken ließ.
„ Du wirst dich bei Fräulein Luisa entschuldigen! Aus basta!“
„ Aber nur, wenn Melchior mir verspricht, sich von dieser Frau zu trennen“, wetterte sie giftig.
„ Wie bitte? Warum sollte ich das tun?“, fragte Melchior hörbar entgeistert.
„ Weil … weil sie angewachsene Ohrläppchen hat. Vor solchen Frauen muss man sich in Acht nehmen. Die sind von unsteter und zwielichtiger Natur. Mit der wirst du keine Freude haben!“, beschwor sie ihn.
„ Wie bitte? Spinnt die?“, fragte ich mich verstört und betrachtete meine Ohren im Spiegel. Unstetig? Zwielichtig? Hoffentlich hat mir diese Kampfkrähe jetzt keine schlechten Eigenschaften angehext. Sozusagen schlafende Hunde geweckt, sinnierte ich verschreckt.
„ Los pack deine Sachen! Wir fahren!“, forderte mich Melchior auf, der im gleichen Moment die Tür aufgesperrte.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und parierte wie eine Waschmagd vor der Peitsche ihres Herrn.
Auf dem Nachhauseweg schwiegen wir bedrückt vor uns hin.
Ich dachte über meine angewachsenen Ohrläppchen nach . Wogegen Melchior angestrengt seinen Wagen steuerte, als müsse er einen unwegsamen Gebirgspass bezwingen.
„ Ich habe nicht gewusst, dass meine Tante ein Verhältnis mit deinem Vater hatte“, stimmte ich eine Gesprächsgrundlage an.
Dabei musterte ich aufmerksam Melchiors Profil und warf einen Blick auf sein Ohr. Das war natürlich nicht angewachsen. Da er nicht auf meine Kontaktaufnahme reagierte, dachte ich drüber nach, ob das Anwachsen von Ohrläppchen nicht doch eine tiefere Bedeutung hat te und nahm mir vor, morgen bei meinen Kunden im Buchladen, genau auf deren Ohren zu achten. Außerdem machte ich mir Gedanken über Kunigundes Schmuckschatulle. Deren Bestand sich ja nun vermutlich durch Melchiors Vater zusammenstellte. Das würde ja bedeuten, dass Melchior sein Eigentum zurück erworben hatte.
„ Haben dich die Schmuckstücke in der Schatulle nicht irgendwie
Weitere Kostenlose Bücher