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Babel 17

Babel 17

Titel: Babel 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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reparieren kann. Wenn sie fertig ist, soll sie mir beide Tafeln bringen, und ich werde sie selbst einsetzen.«
     

 
2.
     
    Rydra saß an der Computerkonsole und grübelte über ihren Laut- und Worttabellen. Ihr Wörterverzeichnis hatte sich seit Antritt der Reise verdoppelt. Eine Hälfte ihres Geistes war befriedigt.
    Die andere Hälfte beschäftigte sich mit der Tatsache, daß ein Verräter an Bord war, ein Saboteur. Die Frage, ein Vakuum, wo keine Information das Wer und Warum beantworten konnte, erzeugte quälende Leere. Jemand hatte vorsätzlich die gedruckten Schaltungen zerbrochen. Lizzy war der gleichen Meinung. Was sollte man dazu sagen? Die Namen der gesamten Mannschaft, und hinter jedem ein Fragezeichen.
     
    Ein offener Aufzug glitt im Gittermast der Startrampe abwärts. Ringsumher erstreckte sich im Zwielicht einer der größten und wichtigsten Flottenstützpunkte der Allianz, ein gewaltiges Arsenal, von dem eine Stadt mit hundertfünfzigtausend Menschen lebte. Als Rydra zum Boden hinuntersank, das Haar von einer Brise bewegt, in der Nase den beißenden Dunst von Industriegasen, heißem Öl und Metall, kam ihr der Gedanke, daß sie niemanden hier kannte und daß sie, Kind eines anderen Sonnensystems, genausogut ein getarntes Mitglied der Invasionsstreitmacht sein könnte. Das war beunruhigend, zumal sie wußte, daß ihre Bücher auf beiden Seiten gelesen wurden. Sie bemühte sich, den Gedanken zu verdrängen. Hier, mitten im Flotten-Stützpunkt der Allianz, war es unklug, darüber die Fassung zu verlieren.
    »Kapitän Wong, Sie sind mir von General Forester avisiert worden.«
    Sie stieg aus dem haltenden Aufzug und nickte lächelnd.
    »Er ließ uns wissen, daß Sie gegenwärtig die einzige Expertin für Babel 17 sind. Ich bin glücklich, Ihre Bekanntschaft zu machen, und wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein kann, sagen Sie es bitte.«
    Sie streckte ihm die Hand hin. »Ich danke Ihnen, Graf Verdorco.«
    Die schwarzen Brauen hoben sich, und der schmallippige Mund in dem dunklen Gesicht zeigte ein noch breiteres Lächeln. »Sie kennen sich in Heraldik aus?« fragte er, die schmalen und langen Finger seiner Rechten auf dem gestickten Wappenschild, das die äußere Brusttasche seines Anzugs zierte.
    »Nur ein wenig«, sagte sie. »Ich hatte von Ihnen gehört.«
    »Schmeichelhaft für mich, Kapitän. Wir leben in einer Welt isolierter Gemeinschaften, kaum in Berührung mit den Nachbargruppen, jede mit eigenen Traditionen, einer eigenen Sprache …«
    »Ich kann mich in vielen Sprachen verständigen.«
    Der Graf nickte. »Manchmal glaube ich, Kapitän Wong, daß unsere Gesellschaft und das Erbe unserer gemeinsamen Kultur zerfallen würden, gäbe es nicht die Bedrohung durch die Invasion. Sie zwingt die Allianz, ihre Energien auf ein gemeinsames Ziel zu konzentrieren. Kapitän Wong …« Er brach plötzlich ab, und die feinen Linien seines Gesichts veränderten sich, schienen sich in Konzentration zusammenzuziehen, sich dann in jäher Erleuchtung zu öffnen. »Rydra Wong …?«
    Sie nickte und erwiderte sein Lächeln zurückhaltend, auf der Hut vor dem, was das Erkennen nach sich ziehen mochte. »Ich begriff nicht gleich…« Er streckte seine Hand aus, als begegne er ihr erst jetzt. »Aber natürlich …« Die Fassade seiner weltläufigen Höflichkeit fiel von ihm ab, und hätte sie diese Verwandlung nicht schon des öfteren gesehen, so hätte sie sich vielleicht von seiner Wärme anstecken lassen. »Ihre Bücher, möchte ich Ihnen sagen …« Der Satz verlor sich in einem leichten Kopfschütteln. Die dunklen Augen waren zu groß, die Lippen in ihrem Lächeln zu nahe an einem lüsternen Grinsen.
    »Selbstverständlich sind Sie heute abend mein Gast, Miß Wong«, sagte er. »Die Gräfin und ich schätzen uns glücklich, Sie um sieben Uhr zum Dinner …«
    »Danke, aber ich habe mit meiner Mannschaft verschiedene Dinge zu diskutieren.«
    »Ich erweitere die Einladung auf Ihr gesamtes Gefolge. Wir haben ein geräumiges Haus, und ein geeigneter Konferenzraum steht zu Ihrer Verfügung. Ganz sicher werden Sie es weniger beengt finden als an Bord ihres Schiffes. Bitte kommen Sie etwas eher, damit wir genügend Zeit zum Plaudern haben.« Die Zunge, rot und beweglich hinter schneeweißen Zähnen, die bräunlichen, lächelnden, Worte formenden Lippen gemahnten sie unwillkürlich an die arbeitenden Kauwerkzeuge einer Fangschrecke.
    Sie hielt den Atem an, dann kam sie sich albern vor; ein momentanes

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