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Babel 17

Babel 17

Titel: Babel 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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ist, um einen Menschen – oder sagen wir, dreißig oder vierzig Menschen – zu töten, ist praktisch nicht feststellbar. Bis heute ist es nicht gelungen, dieses Gift zu synthetisieren; man braucht dazu noch immer Bakterienkulturen des Diphteriebazillus.« Er zeigte zu einer anderen Flasche. »Zyankali, das alte Schlachtroß! Aber ein Nachteil ist der verräterische Bittermandelgeruch – sind Sie hungrig? Wir können unseren Rundgang jederzeit abbrechen und hinaufgehen, um einen Cocktail und ein paar Appetithappen zu nehmen.«
    Sie schüttelte entschieden ihren Kopf. »Nun, hier haben wir eine Anzahl sehr schöner, selektiv wirkender Gifte«, fuhr er fort, seine Hand von einer Flasche zur nächsten bewegend. »Farbenblindheit, völlige Blindheit, Taubheit, Paralyse, Amnesie und so weiter und so weiter. Der Inhalt der blauen Flasche dort: totale zerebrale Atropie im Verlauf einer Woche. Das Opfer wird für den Rest seines Lebens ein vegetierender Organismus wie eine Pflanze, eine Art Kartoffel.« Er hob seine Hände und lachte. »Ich muß gestehen, ich bin hungrig. Wollen wir hinaufgehen?«
    Frag ihn, was im nächsten Raum ist, dachte sie, und hätte die flüchtige Neugierde rasch unterdrückt, wäre der Gedanke nicht in spanischer Sprache gekommen. Es mußte eine Botschaft ihres unsichtbaren Leibwächters sein, der körperlos neben ihr schwebte.
    »Schon als Kind war ich neugierig, Graf«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln. »Wollte immer alles ganz genau wissen. Was haben Sie in diesem nächsten Raum?«
    Er neigte seinen Kopf in gespielter Ergebenheit. »Ein moderner Krieg kann auf vielen verschiedenen Ebenen geführt werden«, fuhr er fort, während er ihren Arm nahm und weiterging, als sei kein Abbruch des Rundgangs vorgeschlagen worden. »Man gewinnt eine Schlacht, indem man dafür sorgt, daß die Truppen genug Donnerbüchsen und Streitäxte haben; oder indem man zwanzig Zentimeter Vanadiumdraht an die richtige Stelle in ein Kommunikationsgerät vom Typ 27 QX plaziert. Wenn das richtig gemacht wird, findet die Schlacht gar nicht erst statt. Nahkampfwaffen, Überlebensausrüstung, Ausbildung und Verpflegung für einen gewöhnlichen Schiffssoldaten kosten heutzutage durchschnittlich dreitausend Krediteinheiten pro Jahr. Für eine kleine Garnison von fünfzehnhundert Mann sind das Auslagen von viereinhalb Millionen. Diese Garnison lebt und kämpft in fünf Kampfschiffen, die mit voller Ausrüstung pro Stück eineinhalb Millionen Krediteinheiten kosten und eine weitere halbe Million; an Unterhaltskosten verursachen. Rechnen wir bei fünfzehn Jahren Lebensdauer nur hunderttausend Krediteinheiten pro Jahr und Schiff, dann haben wir Gesamtauslagen von siebeneinhalb Millionen Krediteinheiten im Jahr für einen solchen, relativ kleinen Kampfverband. Nun, gelegentlich haben wir eine volle Million für die Vorbereitung und Installierung eines einzigen Spions oder Saboteurs ausgegeben. Das ist eine Menge Geld und liegt erheblich über dem, was früher dafür aufgewendet wurde. Und ich glaube, ein zwanzig Zentimeter langes Stück Vanadiumdraht kostet drei Pfennige. Krieg ist kostspielig. Und obwohl es eine Weile gedauert hat, beginnt das Hauptquartier der Allianz zu begreifen, daß Subtilität sich auszahlt. Bitte hier entlang, Miß – Kapitän Wong.«
    Abermals waren sie in einem Raum mit nur einem Ausstellungsstück, aber es war ungefähr zwei Meter groß.
    Eine Statue, dachte Rydra. Nein, richtiges Fleisch mit Muskeln, Sehnen und Gelenken, denn eine Statue konnte nicht so lebensecht aussehen. Aber wie…
    »Sie können sich vorstellen, daß es sehr wichtig ist, den geeigneten Spion zu haben«, sagte der Graf, der ihr die Tür gehalten hatte und nun wieder an ihre Seite kam. »Dies ist eins von unseren kostspieligsten Modellen. Noch immer unter einer Million Krediteinheiten und eines meiner gelungensten Projekte, obwohl er in der Praxis seine Fehler hat. Mit ein paar geringfügigen Verbesserungen möchte ich ihn zu einem festen Bestandteil unseres Arsenals machen.«
    »Ein Modell von einem Spion?« fragte Rydra. »Ist es eine Art Roboter oder Androide?«
    »Ganz und gar nicht. Wir haben ein halbes Dutzend von diesem Typ gemacht, der die Bezeichnung TW 55 trägt. Die schwierigsten und ausdauerndsten genetischen Untersuchungen und Experimente waren nötig, bis wir befriedigende Ergebnisse erzielten. Sie wissen, daß die medizinische Wissenschaft enorme Fortschritte gemacht hat; Fortschritte einer Art, daß selbst der

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