Babel 17
»Ja, Kapitän Wong? Sagten Sie etwas?«
»Gibt es im Stützpunktbereich besonders wichtige Abteilungen, Materialien oder Forschungsarbeiten, die jetzt vielleicht unbewacht sein könnten?«
»Das geschieht alles automatisch. Warum?«
»Graf Verdorco, der Feind ist im Begriff, einen Sabotageakt auszuführen, oder er hat es schon getan.«
»Aber woher wissen Sie…«
»Das kann ich jetzt nicht erklären, aber Sie sollten sich lieber sofort vergewissern, ob alles in Ordnung ist.«
Die Gräfin berührte den Arm ihres Mannes und sagte mit plötzlicher Kälte: »Felix, da ist dein Platz.«
Der Graf zog seinen Stuhl heraus, setzte sich und schob mit einer Armbewegung sein Gedeck zur Seite. Dann schlug er das Tischtuch hoch und zog eine Schublade heraus, die ein Steuergerät war, bedeckt mit Leuchtsignalen und Drucktasten.
»Sie sitzen hier, meine Liebe. Wir werden einfach weitermachen, als ob nichts geschähe. Ich glaube, das ist das beste.«
Rydra setzte sich neben den Grafen, und die Gräfin ließ sich schwerfällig zu ihrer Linken nieder. Verdorco sprach leise in ein Kehlkopfmikrophon. Auf dem postkartengroßen Kontrollbildschirm tanzten Bilder, die sie nicht deutlich sehen konnte. Nach einer Weile blickte der Graf auf und sagte: »Noch nichts passiert, Kapitän Wong.«
»Beachten Sie nicht, was er tut«, sagte die Gräfin. »Dies hier ist viel interessanter.« Sie schwenkte eine kleine Konsole unter dem Tisch heraus und blickte in die Runde. »Ich glaube, wir sind fertig. Passen Sie auf!« Ihr dicker Zeigefinger drückte auf einen der Knöpfe, und die Raumbeleuchtung wurde reduziert. Hausdiener gingen die Tafel entlang und zündeten die Kerzen in den Kristalleuchtern an. »Ich steuere die ganze Mahlzeit, indem ich einfach den rechten Knopf zur rechten Zeit drücke. Sehen Sie!«
Auf den nächsten Knopfdruck öffneten sich wenigstens zehn Bodenklappen im Innenbereich des U, und schwenkbare Plattformen stiegen summend empor, beladen mit Suppenterrinen und Platten kalter Vorspeisen. Sie setzten ihre Lasten mit etwas ruckartigen mechanischen Bewegungen an bestimmten Stellen entlang der Tafel ab, schwenkten zurück und versanken wieder im Boden. Die Hausdiener begannen die Teller der Gäste zu füllen und Getränke einzuschenken.
»Zu den Vorgerichten empfehle ich Ihnen diesen leichten Riesling«, sagte die Gräfin. »Sie werden nicht bereuen, ihn getrunken zu haben. Hier, kosten Sie einmal.«
Zu ihrer Rechten sagte der Graf: »Alles scheint in Ordnung zu sein, aber ich habe vorsorglich Alarm gegeben. Sind Sie wirklich sicher, daß dieser Sabotageangriff jetzt stattfindet?«
»Entweder jetzt«, antwortete sie, »oder in den nächsten zehn Minuten. Es könnte eine Explosion sein, oder es könnte einfach irgendein wichtiges Teil ausfallen.«
»Das läßt alle Möglichkeiten offen. Immerhin bestätigt unsere Kommunikationsabteilung das plötzliche Auftreten von Sendungen in Babel 17.«
Die meisten Gäste saßen bereits und machten sich über die Vorspeisen her. Rydra sah einen aus ihrer Mannschaft am anderen Ende der Tafel umherirren und einen Platz mit seinem Namensschild suchen. Auf der anderen Seite kam der Fremde, der sie im Obergeschoß angesprochen hatte, hinter den sitzenden Gästen herabgeeilt. Er erreichte den Grafen, beugte sich über seine Schulter, um die kleine Bildröhre zu beobachten, und flüsterte etwas. Der Graf machte eine halbe Wendung zu ihm, beide Hände an der Tischkante – und sackte auf einmal vornüber. Ein Blutgerinnsel kroch unter seinem Gesicht heraus langsam über den Tisch.
Rydra fuhr in ihrem Stuhl auf. In ihrem Kopf fügte sich ein Mosaik zusammen: Mord. Sie sprang auf.
Die Gräfin schnaufte und stammelte verständnislose Laute, stützte sich achtlos auf ihre Konsole und warf im Aufstehen ihren Stuhl um. Kopfschüttelnd und mit hilflosen Handbewegungen wandte sie sich ihrem Mann zu.
Rydra sah im Herumwirbeln, wie der Fremde eine Strahlpistole auf die Gräfin richtete. Sie gab der Gräfin einen Stoß, sprang selbst zurück und schrie: »Haltet den Mann! Ein Attentäter!«
Das schien den Fremden nervös zu machen. Der Energiestrahl aus seiner Waffe traf die Konsole. Statt von neuem zu zielen, fuhr der Mann herum und sprang fort.
Die Gräfin war jammernd über ihren Mann gesunken. Ihr unförmiger Körper brachte Felix Verdorcos erschlafften Leichnam ins Rutschen, schließlich kniete sie auf dem Boden und hielt ihn wie ein Kind in ihren Armen. Überall waren die Gäste
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